Der schnelle Weg zum Ziel

■ Was Herr K., über die Destination „Reise '94“ stürmend, so alles mitnahm Von Knut Sieversen

Herr K. hat es diesjährig vorgesehen, ohne jegliche Begleitung auf der „Reise 94“ rumzupetern, nachdem sein Ausflug mit Elch-Freund Herrmann Peter letztjährig in die Hose ging, weil Herrmann Peter kurz nach Messehallen-Eintritt schon einen Rappel kriegte, sich auf der Suche nach einer schwedischen Großhirsch-Trophäe an einer überteuerten nordischen Fischpfanne den Magen verstimmte und die Schnauze voll hatte. Mit Stockschirm und im Sturmschritt rempelte er nur noch prospekttütentragende Rentnerehepaare an, rief beständig bis ultimativ die Gänge entlang: „Ich will alleine sein! Ich will für mich sein! Ich will hier raus! Wo ist der Ausgang!?“

Ganz ruhig wollte Herr K. am Sonntag seinen Messegang angehen und sich nicht verzetteln. Er geriet dann doch in Bedrängnis, weil zu Hause eine Reinfelderin wg. einer – von Herrn K. aufgegebenen – Ferienhaus-Annonce anrief und ihn u.a. mit Anfragen wie „Was kann man in Südschweden im Urlaub unternehmen?“ bzw. „Können Sie mir ein Bild von dem Ferienhaus schicken?“ konfrontierte. Herr K., absolut kein Reise-Berater, blockte da ziemlich ab: Spazierwege wie im Reinfelder Forst oder in den Schwarzen Bergen seien eher nicht anzutreffen und mit Ferienhaus-Ansichten sei das so eine Sache. Da komme es doch zu falschen Bildern und entsprechenden Illusionen, und eine Ansicht aus trüber Jahreszeit sei doch auch irreführend.

Er machte sich verspätet auf die U-Bahn-Reise und trug – wie gewohnt – seine 38jährige Aktentasche als Behältnis für die Messe-Ausbeute bei sich. Damit konnte er sich altmodisch tarnen und von all den Messe-Pilgern absetzen, die spätestens auf der Rückreise zu Werbeträgern wurden. „Top Ibiza“ stand etwa auf der Tüte einer Familienmutter zu lesen und Herr K. wußte darüber auf dem Anweg Höhe Gewächsschauhaus Botanischer Garten nur den Kopf zu schütteln.

Wie über den Messeeintrittspreis von 12 Mark, den er mit Hilfe eines Journalistenausweises umging, und den er grundsätzlich für unverschämt hält, weil Kaufhäuser oder das Gewächsschauhaus ja auch gratis betreten werden dürfen.

Aber davon abgesehen stürzte Herr K. sich zwei Stunden vor Messetagfeierabend ins Geschehen und stolperte im Eingangsbereich naheliegenderweise über die Hamburg-Werbung. Natürlich alles senatsrot/kapitänsblau und entsprechend vornehm, als kämen wir alle aus Blankenese oder Lemsahl-Mellingstedt: Ach, wie ist das aufregend, ach wie is datt scheun: die Hummelbahn, das Trockendock, Alstervergnügungen, Deichstraße, Loddel und andere incoming Partner.

Alles happy, alles wie gehabt und trotzdem nicht richtig, denn ein Herr Roeder von der örtlichen CDU hat angesichts dieses einzigen, so ganz Schmidt-Schnauze-mäßig drapierten HH- Stands einen Medi-enschrei losgelassen,weil letzterer nur fünf Quadratmeter größer sei als jener der Stadt Hitzacker, von Geesthachts oder Bodenwerders Präsenz ganz zu schweigen. „He lücht“, denkt sich Herr K., dem diese HH-Selbstgefälligkeits-Ecke schon und die Preise für manche HH-Tourismuszentralen-Attraktion sowieso ärgern.

Trotzdem noch guten Mutes begibt er sich auf den Weg durch die Regionen und will sich diesmal ganz konzentrieren auf das Angebot der NDR-Hamburg-Welle, die skandinavischen Wegelagerer unter besonderer Berücksichtigung schwedischer Elche, einen Geländewagen-Schausteller, ein bißchen Schweiz und speziell hier die Erkundung nach dem genauen Datum der Baseler Fasnacht am ersten Montag nach Aschermittwoch, ein Plausch mit dem Unternehmen Zukunft DB über ein neues Festpreispaket für 7 Stunden Bahnfahrt zu 49 Mark, japanische Staubsauger ohne Tüten. Höhepunkt aber sollte für Herrn K. die Begutachtung von Wohnwageneinrichtungen im gehobenen Landhausstil und der Stand zur – neuhochdeutsch – Destination Grube sein, auch wenn da kein ICE hinsaust.

Um es kurz zu machen: Bei allem Sonnenschein und den beinharten Temperaturen draußen, die Herr K. im Schutze seiner volksrepublik-chinesischen Grünjacke als durchaus erfrischend empfand - drinnen in den Messehallen brummte ihm – bei all dem Gequake, Geschiebe, Eintüten, Breittreten und Niveau – nach knapper halber Stunde schon der tropisch erhitzte Kopf dermaßen, daß er zwischen Antigua und Zimbabwe vom Weg abkam und vom dänischen Jammerbucht-Stand an alles mitnahm, was „Reisen '94“ ihm druckmäßig in den Weg stellte: „Echo der Frau“, „Riesenerlebnisse auf Schmalspur“, „Bei uns in Ostbayern“, Hans Albers' “Ich bin der Hans im Glück“ auf Schallplatte und NDR-Aufkleber für die Kinder etwa.

Und so traf der Berichterstatter Herrn K. drei Stunden nach dessen Aufbruch zur „Reise '94“ erschöpft auf dem Heimsofa an und verstreut um die Liegestatt ein übersehbarer Stapel von Prospekten zwischen Hamburg und Haiti. Und Herr K. winkte ab, weil er seinen Erlebnisgang sortieren müsse, gar nicht mehr trennen könne zwischen „Golf & Country Club Am Hockenberge.V.“ und der Destination „Südliches Afrika“. Aber in den „Tabbert“-Wohnwagen hätte es ausgesehen wie in amerikanischen Serien bzw. Särgen, beim Bahnstand hätten sich die Menschen fast um Lose zugunsten Wilhelmsburger Kinder geklopft, beim dänischen Softeisstand war gar kein Durchkommen, bei Franken und Bayern gab's Moaß und Bratwurscht sowie die wunderbare „Jungbrunnen“-Reproduktion eines Cranach-Gemäldes. Und Österreich und die Schweiz hätten keinen Platz mehr, weil der deutsche Osten so massiv präsent sei.

Ansonsten alles wie in 1993 gehabt. Und bloß gut, daß Herrmann Peter urlaubend an der Schlei weilt, denn der wäre wieder ausgeflippt und hätte – als Kritiker der Elche – diesmal nicht einen Elchkopf zu Gesicht bekommen.

Einzig positiv und erfrischend, und bei dieser letzten abwinkenden Bemerkung belebte sich das matte Gesicht von Herrn K: der Stand 1109 vom Handwerker- und Gewerbeverein Grube e.V. mit dem Repräsentanten-Ehepaar Hans und Gerda Walther.

Allein das Blättchen „Gruber Bote“ sei einen Messegang wert und Studium desselben einfach anrührend, wo wir heute nur noch durch die Welt jetten und Reisevideos gucken. Bei Schlachter Heino Puck kostet Kasseler Kotelett in Scheiben 8.80, beim TSV Grube ginge es besser, wenn man mehr ginge und Berni–s Pizza Laden hat dienstags Ruhetag, während die Jahreshautversammlung der Siedlergemeinschaft am 19.2. im „Gruber Hof“ stattfindet, wo Bürgermeister Karl Puck die Sieger im Vorgartenwettbewerb bekanntgibt und Landesgartenfachberater Balster passend das Thema „Attraktive Blütengehölze im Vorgarten“ abhandelt.

Und wer noch mehr über den reizenden ostholsteinischen Ort nearby the Baltic Sea erfahren oder kurtaxfrei einmieten möchte, dem rät Herr K. guten Gewissens: Man ran an die Destination 23949 Grube und die Zimmervermittlung 04364-9696 gewählt.