Flippers Geist lebt!

■ Blinky Palermo, der James Dean der deutschen Nachkriegskunst, erzählte der taz postum seine Meinung zur Palermo-Ausstellung im Neuen Museum Weserburg

17 Jahre nach seinem mysteriösen Tod auf den Malediven ranken sich immer noch und wieder Legenden um Blinky Palermo. Im Ratinger Hof raunen die Düsseldorfer Kunststudenten sich so manches Geheimnis über den frühvollendeten und -verstorbenen Beuys-Schüler zu. Ob er nicht doch noch irgendwo lebe, der alte Haderer, Wunderknabe & Saufaus; ob er nicht – vom Himalaya aus z.B. – zufrieden den Rummel um sein kleines, wundersames Lebenswerk betrachte? Gleichviel: Palermos Geist lebt, und mit dem unterhielt sich die taz am Rande der Ausstellungseröffnung im Neuen Museum Weserburg, wo man derzeit der Druckgrafik des Junggenies huldigt.

taz: Ist ja unmöglich, wie die Museumsleute Ihr wunderschönes „Flipper“-Diptychon gleich neben den blöden Feuerlöscher gehängt haben! Finden Sie nicht auch? Palermo: Nein. Ach! Und warum nicht? Paßt doch prima. Vor allem farblich. Sehr schönes Feuerwehrrot. Genau wie bei dem Flipper. Und ich dachte, sie wollten dem Flipper, ihrem Lieblingsflipperautomaten aus dem „Ratinger Hof“, eine Art Denkmal setzen... Nein. Es ging um die Farbe. Und das schöne Karomuster, das fand ich klasse. Sonst nichts.

Dabei denkt doch alle Welt, es gehe Ihrer Kunst um die endgültige Verbindung zwischen dem Banalen und dem Erhabenen. Wo das Bild quasi die Profanität zum Beispiel eines billigen Kneipenflipperautomaten transzendiert; wo durch die Kunst etwas Höheres aus den gewöhnlichen Formen und Farben des Alltags entsteht. Sie selbst haben es doch einmal so formuliert: „Malerei ist für mich Übersetzung der visuellen und materiellen Wirklichkeit in ästhetische Normen, Kunst als Interpretation, neues Sehen und Bewußtseinserweiterung.“ Sowas hab' ich echt gesagt? So steht's im Katalog. Donnerwetter! In der Ausstellung erlebt man das ja vor jedem Bild. Dieses Grau zum Beispiel, das sie bei ihren „Prototypen“-Grafiken verwendet haben: das findet man auch in einem Ihrer großflächigen Stoffbilder wieder; da steht man dann davor und denkt an C.D. Friedrich, an Mark Rothko, an die Unendlichkeit und möchte am liebsten in diesem großen, grauen Meer versinken vor lauter Erhabenheit. Ja, und dann geht man ganz nah ran und entdeckt: Das Grau ist doch nur einfacher Stoff, eine Art Hausmeisterkittelstoff, den Sie – so geht die Legende – bei Karstadt gekauft haben, zusammen mit Herrn Grothe, dem Kunstsammler, aus dessen Fundus ja auch die Grafiken in der Weserburg stammen. Da sieht man mal, wie alle Kunst doch im Alltag verwurzelt ist, nicht? Nein. Alltag ist Alltag; die Kunst ist erstmal autonom. Wenn alles gut geht, strahlt sie mal ein bißchen in den Alltag ab, das war–s. Na schön. Aber eine Ahnung vom alltäglichen Ursprung Ihrer schlichten grafischen Bildfindungen vermitteln die Bilder ja doch. Wieso das denn? Ich finde, sie strahlen oft so eine geniale Einfachheit, eine schlichte Schönheit, ja man möchte sagen: Heiterkeit aus. Ich weiß auch nicht, wo das immer wieder herkommt. Dabei sollen Sie doch so ein zerrissener, oft mürrischer Mensch gewesen sein. Mmh. Die Druckgrafik stellt ja was Besonderes in Ihrem Werk dar. Wer die kleine Ausstellung in der Weserburg sieht, bekommt praktisch eine Art Katalog vorgeführt; in der Druckgrafik seien alle Ideen Palermos in konzentrierter Form zu erleben, heißt es. Und was ist mit den schönen Stoffbildern? Sind die nichts? Und die Objekte? Schaun' Sie sich doch mal richtig um! Im Museum hängt doch noch mehr außer meinen Grafiken –rum. Das hat auch ganz schön Arbeit gekostet!

Was bleibt denn heute von dieser Arbeit übrig? Gibt es junge Künstler, die an Ihre Strategien anknüpfen? Ach, da gibt–s nicht viele. Der ganze Alltag mit seinen schönen Banalitäten wird zwar inzwischen ausgeplündert. Aber meistens nur, um irgendwelche wahnsinnig ironischen Witze zu machen. Die Farbe ist denen wurscht, ganz zu schweigen vom autonomen Bild. Da wird meist nur noch abgelacht und abkassiert. Umso schöner ist Ihre Ausstellung gelungen. Ja, die ist ganz o.k. War schön, die alten Sachen mal wieder zu sehen. Ja, sowas sieht man heute nicht mehr oft. Mmh. Thomas Wolff

Blinky Palermo, Druckgrafik aus der Sammlung Grothe, bis 1. Mai im Neuen Museum Weserburg (Teerhof 20)