Für Seelenverwandte

■ „Grande petite“ im Forum

Benedicte ist eine Nervensäge. Es wird nie gesagt, wie alt sie eigentlich ist. Sie sieht aus, wie 16, aber sie muß mindestens 18 sein, denn ihre beste Freundin studiert. Doch mit ihren kurzen Haaren und den engelhaften, androgynen Gesichtern sehen beide eher aus, wie kurz vor der Pubertät, die Mädchen mit 18 gemeinhin schon hinter sich haben. Sehr knabenhaft, sehr unsicher und vor allem: sehr viel Angst.

Benedicte hat einen Liebhaber, mit dem sie zusammen wohnt, einen, in den sie unglücklich verliebt ist und einen, der unglücklich in sie verliebt ist.

Einmal versucht ihre Freundin sie zu wecken, indem sie ihr mit der Gabel in den Arm piekt. Später sagt sie: „Während du schliefst, habe ich dir wehgetan.“ Benedicte antwortet: „Schade, ich habe nichts gemerkt.“ Eines Tages findet sie hinter einer Mülltonne eine Plastiktüte mit einer Pistole und einem Haufen Geld. Sie macht ein Geheimnis aus dem Fund, deutet an, nimmt wieder zurück, überlegt es sich anders und sagt schließlich: „Ich weiß nicht.“

Fillieres erster Film ist schön, weil er genau ist. Die Bilder sind karg, und die Kamera hält immer auf Distanz, was der Selbstbespiegelung, die Verständnis als Einmischung ablehnt, angemessen ist...

Daß ich mich trotzdem nicht übermäßig begeistern kann, liegt einfach am Thema. Diese lähmenden Unsicherheiten ertragen über 105 Minuten nur Seelenverwandte.

Anja Seeliger

Sophie Fillières: „Grande petite“ (Große Kleine). Frankreich 1993, 105 Min. 15.2. Akademie 16h; 16.2. Centre Culturel Français 17h