„Rot-grüne Koalition sauber abwickeln“

Niedersachsen vor der Wahl: Der Ton zwischen Grünen und Sozialdemokraten wird härter / Grüne krebsen knapp über der Fünfprozentmarke, SPD hofft auf absolute Mehrheit  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

„Natürlich werden wir erst nach dem Wahltag genau wissen, was da bei der SPD wirkliche inhaltliche Veränderung und was da nur Wahlkampf war.“ So drückte es gestern der Vize der niedersächsischen Landtagsgrünen, Pico Jordan, aus.

Was die Zukunft von Rot-Grün über den Wahltag hinaus angeht, macht sich bei den niedersächsischen Grünen immer mehr Skepsis breit, obwohl Absetzbewegungen oder ein rüderer Umgang zwischen Koalitionspartnern vor Wahlen doch eigentlich nur zum normalen politischen Geschäft gehören. Bisher zeigt sich die wachsende Distanz der Koalitionspartner eher in kleinen landespolitischen Ereignissen. Da monierte gestern die grüne Spitzenkandidatin Andrea Hoops, daß „der SPD der politische Wille für ein neues Landesenergieprogramm abhanden gekommen sei“, wo dies doch gerade in Krisenzeiten auch ein großes Investitionsprogramm sei. Da machte die SPD-Spitze kürzlich im Landtag gemeinsam mit der CDU gegen eine Nahverkehrsabgabe Front. Dabei sollte die nur niedersächsischen Städten die Möglichkeit schaffen, bei der Autofahrt in die Innenstadt den Kauf eines Tickets für den ÖPNV obligatorisch zu machen. Solche Pläne befürwortet neben dem rot-grün regierten Hannover etwa auch die Bundesbauministerin. „Die SPD setzt auf eine Ökopause, will den Umweltschutz wieder zum nachrangigen Thema machen“, lautet der Vorwurf von Andrea Hoops. Schließlich hatte sich die SPD in der letzten Landtagssitzung vor den Wahlen auch noch einem Mißbilligungsantrag der CDU gegen den grünen Bundesratsminister Jürgen Trittin inhaltlich halbwegs angeschlossen. Wieder einmal ging es um Trittins altbekannte und auch zutreffende These, daß die CDU-Kampagne gegen das Asylrecht den Rassismus in der Bundesrepublik hoffähig gemacht habe, was im übrigen seinerzeit selbst der SPD-Bundesvorstand genauso sah.

Natürlich ist es auch eigener Wahlkampf der Grünen, wenn diese, wie gestern Andrea Hoops, betonen: „Wer weiter Rot-Grün will, muß Grün wählen.“ Doch man hat es der grünen Fraktionsspitze wohl abzunehmen, wenn diese erklärt, „es wäre ein Fehler, ein zweites Mal wie 1990 mit einem Wahlergebnis von 5,5 Prozent in eine Koalition mit der SPD zu gehen“. Nur bei einem eindeutigen Ergebnis in Richtung Rot-Grün, sei eine Fortsetzung der Koalition richtig und möglich, sagte der Fraktionsvize Pico Jordan gestern und begründete dies damit, daß Rot-Grün längst keine Liebesehe mehr sei. Daher könnten nur noch bei einem entsprechenden Wahlergebnis grüne Inhalte gegenüber der SPD durchgesetzt werden.

Kaum höher als vor vier Jahren zwischen mageren sieben und acht Prozent werden die niedersächsischen Grünen gegenwärtig in den Umfragen gehandelt. Zudem führen sie einem schwierigen Wahlkampf, in dem sie vier Jahre Rot- Grün nur zwiespältig bilanzieren können. Sie loben einerseits die Leistungen der Koalition und müssen dennoch betonen, daß das alles noch nicht genug war, wollen halbenttäuschte Anhänger von Rot- Grün für sich mobilisieren. Es ist nicht nur ein Allgemeinplatz, wenn Andrea Hoops gestern sagte, die „rot-grüne Koalition wird sauber abgewickelt, und dann entscheidet das konkrete Wahlergebnis“.

Für die SPD gilt nach außen hin eine Fortsetzung der Koalition mit den Grünen über den Wahltag hinaus zumindest immer noch als zweitbeste Lösung, nach einer absoluten Mehrheit der Sozialdemokraten. Eine absolute SPD-Mehrheit zwar nicht der Wählerstimmen, aber der Mandate liegt nach Umfrageergebnissen immer noch im Bereich des Möglichen, dann, wenn viele Wählerstimmen nicht zählen, wenn die FDP und auch die Statt Partei und die Reps an der Fünfprozenthürde scheitern. Der noch amtierende Bundesratsminister Jürgen Trittin glaubt nicht mehr an den Willen der SPD, die rot-grüne Koalition fortzusetzen. „Die SPD ist schon dabei, sich von rot-grüner Politik Stück für Stück zu verabschieden“, sagt er. Eine Fortsetzung von Rot-Grün kann er sich nur noch vorstellen, wenn nach der Wahl auch rechnerisch „eine SPD/FDP-Koalition nicht geht“. Eine absolute SPD-Mehrheit, bei der sich die Koalitionsfrage erledigt hätte, hält der Grüne Minister für unwahrscheinlich. Auch an eine große Koalition nach der Wahl – Spekulationen in diese Richtung werden durch einen plötzlich freundlicheren Umgang Schröders mit der CDU-Fraktionsspitze genährt – glaubt Trittin nicht: „In einem solchen Fall“, sagt Trittin, „muß man zu viele SPD- Genossen aus den Ämtern oder Sesseln jagen.“