Sahnebecher in Flammen

■ Klöckner startet Plastikverbrennung im Hochofen und macht ordentlich Geld damit

Stolz wie Oskar waren gestern die Manager der Klöckner-Hütte, als sie die neue Plastik-Verwertungsanlage vorstellten: „Unsere cleveren jungen Ingenieure, die sind wie hungrige junge Wölfe.“ Die hatten nämlich die Idee, statt teurem Schweröl einfach Plastik in den Ofen zu schmeißen. Und zwar direkt. BASF und RWE planen dagegen, Plastik erst in Öl zu verwandeln und dann in den Ofen zu leiten. „Die zahlen pro Tonne Plastik 2.000 Mark Investitionskosten“, sagt Klöckner-Chef Klaus Hilker kopfschüttelnd, „wir kriegen das mit 200 Mark hin“. „Tja“, grinste ein älterer Herr in der Runde, „Druck erzeugt Ideen“.

Vorerst darf Klöckner aber nur ein Jahr lang Plastik verbrennen, pardon, vergasen. Und höchstens 20.000 Tonnen insgesamt. Das Ganze ist ein Pilotprojekt. Doch die Manager denken längst weiter: Mit einer größeren Anlage würden sie gern 30 Prozent des Schweröls durch Kunststoffe ersetzen, dafür bräuchten sie 80.000 Tonnen Plastik pro Jahr. Soviel, wie die gesamte nordeutsche Bevölkerung zusammensammeln kann - pro Person und pro Jahr rechnet man mit im Schnitt 10 Kilogramm. Klöckner verhandelt bereits jetzt mit der Firma Duales System Deutschland über Mengenreservierungen. Denn mittlerweile streiten sich offenbar schon mehrere Firmen um den lang verschmähten Abfall.

Trotz der geänderten Marktlage: Nach weniger als einem Jahr wird sich die Investition von 10 Millionen Mark für Klöckner rentiert haben. Denn die Hütte bekommt das Plastik fertig sortiert und kleingehackt kostenlos ans Tor geliefert - und noch „einige Hundert-Markscheine pro Tonne“ obendrein, wie Klaus Hilker widerstrebend gestand. Aber man investiere ja auch - 200 Mark pro Tonne. Öl dagegen kostet: 120 Mark pro Tonne.

Daß mit der tonnenweisen Vergasung von Plastikverpackungen die Industrie überhaupt keinen Anreiz mehr hat, Verpackungen zu vermeiden - diesen Vorwurf reichte Klöckner-Chef Hilker einfach weiter. „Der Kunststoff fällt ja an. Das andere ist für uns zu schwierig, das ist die hohe Politik.“ Der Fücks-Abgesandte lächelte verlegen.

Neben dem Geschäftserfolg ließ aber noch etwas anderes gestern die Klöckner–Mangager und -Ingenieure dermaßen locker mit den PressevertreterInnen plaudern: Sie hatten keinerlei Angst vor den Fragen nach der Ökologie. Was ist denn die Vergasung bei Klöckner anderes als die stinknormale Verbrennung von Plastikabfällen in der Müllverbrennungsanlage, wollte ein Journalist wissen. Das war die große Stunde des Metallurgen Joachim Janz. Lässig zeigte er auf ein Diagramm: Bei der Vergasung werde der Kunststoff zu fast 80 Prozent als Rohstoff und Wärme genutzt, in der Bremer Müllverbrennungsanlage dagegen nur zu 30 Prozent (Strom); sogar eine moderne MVA hätte nur 50 Prozent Ausbeute. Und was Dioxine betrifft: bislang unterhalb der Nachweisgrenze. „Selbstverständlich wird der Versuch sofort aufgegeben, wenn die Dioxinmenge die zulässige Grenze überschreitet“, beeilte sich Ralf Wehrse vom Umweltsenator hinzuzufügen.

Bleibt nur noch die Sache mit der Verbrennung, pardon, der Vergasung: Eigentlich erlaubt das neue Abfallverwertungsgesetz nur die stoffliche Verwertung von Kunststoffen. Will heißen: Sie sollen möglichst in ihrer stofflichen Struktur erhalten bleiben, schließlich ist die mit viel Energie hergestellt worden. Keinesfalls also sollen die Kunststoffe thermisch verwertet werden, weil sie dabei in ihre Ausgangsstoffe zerfallen. Genau das aber passiert nach Einschätzung des BUND bei Klöckner: Das Plastigranulat zerfällt bei über 2.000 Grad in Kohlenstoff und Wasserstoff. (Der Kohlenstoff soll den Sauerstoff aus dem Eisenerz abziehen.). Nur über eine gewagte Interpretation des Begriffs „stoffliche Verwertung“ genehmigten die BeamtInnen schließlich das Verfahren: Als stoffliche Verwertung könne doch auch eine „rohstoffliche“ Verwertung wie bei Klöckner angesehen werden. Eine Mogelpackung, schimpft der BUND.

So weit die Manager auch in die Zukunft geschaut haben und dort riesige Berge von Plastikgranulat im Klöckner-Ofen aufflammen sahen: Gestern bei der Pressevorführung ging es noch sehr provisorisch zu. Der Gabelstapler mußte hin und herwenden, bevor er den 800 Kilogramm schweren Sack voll Granulat, intern „Big Bag“ genannt, unter den Kran bekam. Minutenlang nestelten dann zwei Arbeiter mit klammen Fingern an der Sackschnur. Endlich ruckelte der Container mit dem Granulat außen am Befüllungssilo hoch: zentimeterweise. Die Männer sahen es mit glücklichen Augen: „Das ist noch richtige Pionierarbeit“.

Christine Holch