: Zweierkistenfeiertag Von Andrea Böhm
Und wieder ein Jahr gelitten, geliebt, genervt, gejammert oder geträumt. Montag war Valentine's Day in den USA, an dem die sogenannte Zweierkiste gefeiert wird. Ob die Pärchen wirklich so glücklich sind, wie sie, dem kalendarischen Ritual folgend, beteuern, sei dahingestellt. Glücklich sind jedenfalls die Rosenverkäufer und Hersteller von Schokoladenherzen. Wir nehmen das Datum zum Anlaß, wieder einmal einen unrepräsentativen Blick auf das amerikanische Beziehungsleben zu werfen. Erstes Studienobjekt: die alljährlichen „Love Notes“ der Washington Post – sechs Seiten Liebeserklärungen im Kleinanzeigenformat.
Die Lektüre der „Love Notes“ läßt auf konservative Beständigkeit schließen. Im Unterschied zum Vorjahr dominieren eher konventionelle Liebesschwüre: Carl liebt Janet „für immer“; Jerry bedeutet „alles Glück“ für Terry; Steven will „nie mehr ohne Bob“ einen Tag beginnen müssen; und „Honey Bob“ liebt „Poopsie“ auch nach dem zehnten Valentinstag unverdrossen.
Lyrische Eruptionen sind eher die Ausnahme: „Schmelly, Du bist die Luft, die meine Lungen füllt; das Licht, das in meinen Augen leuchtet; das Wasser, das meinen Durst löscht. Dave.“ Uff. Oder: „Mike, Du bist besser als Schokoladenkäsekuchen. Happy Valentine's Day. Deine süße Erbse.“
Manche lassen Raum für freie Assoziationen: „Silver Ghost, Du bist die beste Banane in der Staude. In Liebe, Dein Beach Bunny.“ Manche vermeiden Mißverständnisse: „Hi, Sweetie (Nein, nicht Du, Pat), ich bin verrückt nach Dir.“ Und manche mühen sich verzweifelt, aus der Dreier- endlich eine Zweierkiste zu machen: „Barbara, bist du den Kerl endlich losgeworden? Hast Du jetzt Zeit für mich? Josh.“
Ein Blick auf die Titelseite eben dieser Ausgabe der Washington Post zeigt allerdings tiefe Risse im amerikanischen Beziehungsgefüge – vor allem bei der jüngeren Generation. „Valentine's Day“ ist Krisentag an den amerikanischen Universitäten. Über 100 Hochschulen bieten inzwischen „Dating Courses“ an – Kurse, in denen das ABC des Werbens gelehrt wird. Zivilisatorische Grundregeln für Männer zum Beispiel: Wenn sie „nein“ sagt, dann heißt das auch „nein“. Für beiderlei Geschlecht gilt, daß das Basteln an der eigenen Karriere wichtiger ist als das Basteln an der Zweierkiste. Folglich fehlen dem Nachwuchs grundlegende Kommunikationstechniken. „Dating“-Dozent David Coleman gibt seinen StudentInnen deshalb lebenswichtige Tips für das erste Zusammentreffen: Männer sollten unbedingt vermeiden, über Ex-Freundinnen zu reden; Frauen sich abgewöhnen, gleich zu Beginn den potentiellen Freund durchzuanalysieren. Während männliche Kursteilnehmer nach „Dates“ Ausschau halten, die möglichst viel Ähnlichkeit mit Hollywood-Star Sharon Stone haben, haben Frauen ihre Maßstäbe weit heruntergeschraubt. „Echte Zähne und einen festen Job“ reichen einer Studentin als Qualitäten für den Zukünftigen schon aus.
Wer die ersten Fettnäpfe sicher umgangen und sich in trauter Zweisamkeit eingerichtet hat, den will Coleman als nächstes davon abhalten, alle Romantik in abendlicher Routine zu ersticken. Und die heißt laut Coleman: „Ich-hol-die-Pizza- und-du-das-Video.“ Roses are red, violets are blue, You are the best and I love You.
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