■ Die sexuellen Probleme der Tories, Teil VII:
: „Sind Sie etwa heterosexuell?“

Dublin (taz) – Schwule Tory- Abgeordnete müssen heiraten, wenn sie sich nicht sämtliche Aufstiegschancen in der Partei vermasseln wollen. Die Fraktionsführung der Konservativen im britischen Unterhaus hat einem Nachwuchspolitiker, dem Experten eine Ministerkarriere prophezeien, unmißverständlich klargemacht, daß er „sich anpassen“ müsse. Die Parteioberen waren über seine enge Freundschaft mit einem anderen Tory-Abgeordneten besorgt. Säuberungen finden auch in Hinblick auf die Europawahlen im Sommer statt: Bei einer Sitzung am Wochenende wurde ein Kandidat gekippt, weil die Parteiführung seine Verlobung für einen Fake hielt. „Sie befürchteten, daß er schwul sei, und befragten seine Freunde“, behauptete ein Sitzungsteilnehmer. „Die sagten, daß die Freundin möglicherweise nur zur Vertuschung seiner Homosexualität diene.“

Die Tories haben panische Angst vor weiteren „Skandalen“, nachdem Enthüllungen aus dem Privatleben zahlreicher Abgeordneter das neue Tory-Programm der Lächerlichkeit preisgegeben haben. Mit diesem Programm wollten die Konservativen eine moralische Überlegenheit reklamieren, in die weder Schwule noch außereheliche Affairen passen. Erst am Wochenende mußte ein weiterer Tory-Parteifunktionär seinen Hut nehmen, weil er laut Sunday Mirror sexuelle Beziehungen zu der Parteiangestellten Emily Barr unterhalten habe. Zwar betonte Booth, er habe die 22jährige lediglich geküßt, doch soll er ihr in Gedichten seine „ewige Liebe“ geschworen haben. Der 47jährige Methodisten-Pfarrer Hartley Booth ist aber nicht nur verheiratet und hat drei Kinder, sondern darüber hinaus Nachkomme des Heilsarmee-Gründers und Abgeordneter für Finchley.

Die Parteiführung spielte die Geschichte als „unbedeutende Sünde eines unbedeutenden Politikers“ herunter. Vermutlich hätte sich auch niemand dafür interessiert, wenn sich Booth nicht in der Vergangenheit als „Retter der Familie“ aufgespielt und den Vorsitz einer entsprechenden Wohlfahrtsorganisation übernommen hätte. Der Vorsitzende der Tory- Bezirksgruppe Finchley, Ron Thurlow, sagte, mit Booths Rücktritt als Parlamentssekretär sei die Tory-Kampagne – Slogan: „Zurück zu den Grundwerten“ – endgültig tot: „Die Partei sollte damit aufhören und endlich das Land regieren.“

Auch in den jüngsten Meinungsumfragen kann Premierminister John Major keinen Trost finden: Neun von zehn Befragten gaben an, daß sie die Tories nicht mehr für die moralisch sauberste Partei hielten. Zwei Drittel bezeichneten die Partei gar als „verkommen und anrüchig“. Und 40 Prozent kündigten an, daß die Skandalkette durchaus eine Rolle dabei spielt, wo sie bei den nächsten Wahlen ihr Kreuz machen werden.

Und am Montag droht den Tories weitere Unbill, wenn im Unterhaus das Gesetz über die Herabsetzung des Mindestalters für Homosexualität – bisher beträgt es 21 Jahre – debattiert wird. Die Satirezeitschrift Private Eye will diejenigen Abgeordneten outen, die gegen eine Herabsetzung auf 16 Jahre stimmen – deshalb wohl auch der parteiinterne Druck auf ledige Tory-Abgeordnete. Ein unverheirateter Staatssekretär sagte, daß ihm zwar niemand eine Verlobung befohlen hätte, man ihm jedoch den Rat gegeben habe, sich mit einer Freundin sehen zu lassen. Der schwule Ex-Abgeordnete der Tories, Matthew Parris, sagte dagegen: „So wie die Dinge zur Zeit liegen, scheint es mehr Probleme mit heterosexuellen Abgeordneten zu geben.“ Er schlug vor, das Ganze umzudrehen und die Kandidaten für die Europawahl zu fragen: „Du bist doch nicht etwa heterosexuell, oder?“ Ralf Sotscheck