Gemeinsam gegen die Rotstiftfront

■ Ein Anfang könnte gemacht sein: Kulturschaffende und Politiker tauschten in der Kultur-Brauerei Ansichten

Kulturpolitische Maßnahmen zu kritisieren ist leicht. Vor allem wenn sie so konzeptlos sind wie in Berlin. Insofern ist es zunächst generell zu begrüßen, daß der kulturpolitische Sprecher der CDU, Uwe Lehmann-Brauns, am Montag in der Kultur-Brauerei eine Mini- Kulturkonferenz einberief, auf der er eine zehn Punkte umfassende allererste Grundlage für ein Konzept vorstellte. Denn bisher hat er die Misere meist nur ausgesessen und danach angeprangert. Die Tendenz seines Programms wollte er von den eingeladenen Kulturschaffenden bestätigen bzw. korrigieren lassen, um es in die bevorstehende Klausurtagung der Berliner CDU-Fraktion am 19. Februar mitzunehmen.

Diese Initiative bot der großen Lobby der bislang Geschädigten oder Bedrohten ein Forum, das selbst von Kultur flankiert wurde. Szenen aus Einar Schleefs „Faust“-Projekt wurden gezeigt – „eine Inszenierung, die keine werden durfte“, wie es in der Einladung pathetisch und falsch hieß. Denn wohl ist Herrn Schleef und den Seinen durch die gänzliche Schließung des Schillertheaters Mißliches widerfahren, aber daß man auch ohne eigenes Haus eine Inszenierung fertigstellen kann, beweist die freie Theaterszene Berlins wöchentlich. Thematisch paßte die „Kaiserpfalz“-Szene jedoch sehr gut.

Auf dem Podium saß neben leitenden Vertretern diverser Theater (Hebbel, Staatsoper, Komische Oper, Friedrichstadtpalast) auch Wolfgang Bergsdorf, der Abteilungsleiter für Kultur im Bundesinnenministerium. Das war sinnvoll, denn ein wesentlicher Punkt im Programm von Lehmann-Brauns betont die Verantwortlichkeit des Bundes im Bereich der Kulturförderung. Weitere Grundsätze sind, daß Sponsoring und Privatisierungen staatliche Kulturförderung nicht ersetzen können, daß auch die Europäische Union angehalten ist, den Prozentsatz von 0,0002 Prozent ihres Etats, den sie für Kultur ausgibt, zu erhöhen, und daß es eine europaweite Kommunikation und Kooperation von Kunstschaffenden geben sollte.

Das sind natürlich alles sehr löbliche, aber denkbar vage Absichten, an deren Konkretisierung sich der Kulturpolitiker Lehmann- Brauns in Zukunft immerhin überprüfen lassen kann. Dabei muß gleich angemerkt werden, daß er zur Frage der Privatisierung des Metropol-Theaters überhaupt nicht Stellung bezog, obwohl die Freundesgesellschaft dieses Hauses als Sandwichfrauen und -männer mit Aufführungsplakaten einmarschierte und wortreich das Dilemma der in der geplanten Form künstlerisch unverantwortlichen Maßnahme beklagte.

In einem waren sich die Anwesenden quer durch alle Parteien und Interessensgebiete einig: Es muß etwas geschehen. An Plädoyers für die Unantastbarkeit der Kultur fehlte es ebensowenig wie an vielstimmigen Klagen über den Berliner Status quo im allgemeinen und den Kultursenator Roloff- Momin im besonderen. Der war übrigens nicht eingeladen worden oder nicht gekommen. Schade, denn sonst hätte er sich gegen die heftigen und zum Teil unberechtigten Attacken verteidigen können. Es liegt nicht an ihm persönlich, daß er als Sparkommissar zum kulturellen Buhmann geworden ist. Das Problem ist ein strukturelles, wie bezeichnenderweise ein Unternehmensberater aus dem Publikum darlegte: An einem Etat herumzustreichen, der 2,8 Prozent des Berliner Haushalts ausmacht, ist unsinnig. An anderen Stellen müsse strategisch rationalisiert und der Kulturetat auf 4 Prozent angehoben werden. Beispielsweise drei der fünf Image-GmbHs der Stadt könnten aufgelöst werden, da man ohnehin nicht wisse, was sie machen. Große Zustimmung erzielte auch die Forderung, den Kulturetat von proportionalen Sparmaßnahmen auszunehmen, da die vorstellbaren und erlebbaren Folgeschäden in keinem Verhältnis zur erwirkten Einsparung stehen.

Das Wichtigste an dieser Veranstaltung war die Veranstaltung selbst. Intendanten verschiedenster Couleur und Kulturpolitiker saßen an einem Tisch, auch aus dem Off-Bereich kamen Kulturschaffende zu Wort (ein Vertreter des Tacheles stellte das Modell einer finanziellen Eigenverantwortlichkeit vor, das darauf basiert, daß das Tacheles-Grundstück nicht verkauft, sondern einer Tacheles- Stiftung übertragen wird). Ein Kommunikationsforum für Kunst und Politik war erstmals gegeben, und sehr zu begrüßen wäre, wenn es ohne jede Parteienbindung zur dauerhaften Einrichtung würde. Damit Kulturpolitik eine Politik für Kultur wird. Petra Kohse