■ Um Dauerwellen ging es nicht in der Berliner FDP
: Sturz in die Zukunft

Nach dem Verzicht Carola von Brauns auf das Amt der Berliner FDP-Landesvorsitzenden nun auch der Rücktritt als Fraktionschefin und Mitglied des FDP- Bundespräsidiums: überraschen konnte der zweite Schritt freilich nicht. Er war die unvermeidbare Konsequenz aus einer Schlammschlacht, in deren Verlauf die Berliner Parteifreunde keinerlei Rücksicht mehr darauf nahmen, ob nicht am Ende auch die Partei irreparabel geschädigt zurückbleibt. Dem Beißkrampf ihrer innerparteiischen Kontrahenten kam deshalb auch das „Friedensangebot“ – der vor zwei Wochen vollzogene Rücktritt als Landesvorsitzende – nicht bei.

Gerade diese Unversöhnlichkeit hat nachdrücklich deutlich gemacht, daß es in Berlin nicht um die Dauerwellen ging, die sich die ehemalige Frauenbeauftragte des Berliner Senats aus der Parteikasse bezahlen ließ. Selbst in einer traditionell am individuellen Vorteil und an Ämtern ausgerichteten Partei wie der FDP, bei der selbst das „Modell Möllemann“ zum guten Ton gehört, ging der Streit weit über die bloße Machthuberei hinaus.

Das Berliner Freistilringen, bei dem jeder Anstand perdu ging, läßt ahnen, welch harsche Auseinandersetzungen der gesamten Partei bevorstehen könnten. Immer deutlicher wird für die Freien Demokraten, daß sie existentiell bedroht sind und Gefahr laufen, auf der roten Liste der aussterbenden Partei-Spezies zu landen.

Angesichts eines aufscheinenden Fünf- oder Sechs- Parteien-Systems sind für die FDP die Zeiten endgültig vorbei, in denen bei der Regierungsbildung keiner an der FDP vorbeikam. Die im Berlin der Großen Koaliton zur politischen Marginalie verkümmerte FDP ficht deshalb hier um so verzweifelter um eine Überlebensperspektive. Frau von Braun stand in der Bundespartei für ein schärferes liberales Profil der FDP und eine Rückbesinnung auf sozialliberale Gedanken gegenüber dem neoliberalen Wirtschaftsflügel der Partei. Dieser Konflikt war in Berlin beständig präsent; personifizierte sich in Carola von Braun als Landesvorsitzende und dem Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt als Stellvertreter und Kontrapart.

Mit dem designierten Nachfolger Rexrodt ist der Streit zweier Linien entschieden. Für die Berliner FDP bedeutet der völlige Rückzug der Landeschefin deshalb einen Sprung nach vorne, der eigentlich eine Rolle rückwärts ist: zurück in die Zeiten, in der die FDP in Berlin die Partei der Immobilienbranche war. Das garantiert zwar gutgefüllte Fleischtöpfe, für ein politisches Überleben aber wird das nicht reichen. Gerd Nowakowski