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Bürgerkrieg auf Sparflamme

■ In Algerien machen auch während des Fastenmonats Ramadan Militärs und Sondereinheiten Hatz auf ISlamisten / Diese revanchieren sich mit Mordanschlägen und Drohungen auch gegen völlig Unbeteiligte

Amman (taz) – Wenige Wochen nach der Ernennung des neuen algerischen Präsidenten Liamine Zeroual spitzt sich die Lage in dem nordafrikanischen Land weiter zu. Die offizielle algerische Nachrichtenagentur berichtete gestern, seit vergangenem Donnerstag seien landesweit 15 „Terroristen“ bei Gefechten mit algerischen Militärs getötet und 18 verhaftet worden. Als „Terroristen“ werden von der algerischen Führung gemeinhin militante Islamisten bezeichnet. Die algerische Presse berichtete von mehreren Anschlägen, die auf das Konto von Islamisten gehen sollen. So wurde am Donnerstag in dem Ort Beni Meistir ein Lehrer von einem seiner Schüler erschossen. Am Wochenende starben bei Attentaten in der Stadt Annaba zwei Polizisten. Am Montag wurde der TV- Journalist Aziz Smati in Algier schwer angeschossen.

Vor einem Sondergericht der Stadt Oran ging am Montag einer der größten Islamistenprozesse des Landes zu Ende. Die Richter verurteilten 27 angebliche Islamisten (nach anderen Angaben 34) zu Haftstrafen zwischen einem und 20 Jahren. 21 der Verurteilten sind auf der Flucht. Sie sollen versucht haben, Waffen und im Afghanistankrieg geübte Kämpfer nach Algerien zu schleusen. Seit Einrichtung der Sondergerichte vor einem Jahr haben diese 420 Menschen zum Tode verurteilt.

Mittlerweile erlebt die Bevölkerung eine neue Form des Krieges zwischen Islamisten und Machthabern. Die algerische Führung hat dem Schwarzmarkt den Kampf angesagt. Aufgrund der extrem hohen Arbeitslosigkeit bildet der „Tarabando“, der illegale Handel, für Zehntausende Familien die einzige Möglichkeit, sich über Wasser zu halten. Jeden Tag reisen Hunderte junge AlgerierInnen nach Italien und Marokko, um dort Güter zu erstehen, die sie mit Gewinn in ihrer Heimat verkaufen können. Die im Untergrund agierende Islamische Heilsfront stellte der algerischen Führung am Montag ein Ultimatum, bis morgen alle Aktionen gegen die „Tarabandors“ einzustellen. Die verbotenen Islamisten wollen durch diese Initiative weitere Sympathien unter den auf den Schwarzmarkt angewiesenen Schichten gewinnen. Zudem soll sich die FIS zum Teil selbst durch Schwarzmarktgeschäfte finanzieren.

In der algerischen Presse wurde wiederholt von Drohungen militanter Islamisten gegen die Bevölkerung berichtet. So soll die Bewaffnete Islamische Gruppe (GIA) in Flugblättern Frauen dazu aufgefordert haben, den Tschador, das islamische Kopftuch, zu tragen. Von Busunternehmern soll verlangt worden sein, in ihren Fahrzeugen getrennte Bereiche für Frauen und Männer einzurichten. Finanzbeamte wurden angeblich gewarnt, Steuern einzutreiben. Desweiteren sollen während des derzeitigen Fastenmonats Ramadan keine Zigaretten oder Tabak verkauft werden. Besitzer von Teehäusern sollen von Islamisten den „Ukas“ bekommen haben, Kartenspiele zu unterbinden. Khalil Abied

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