Generalstreik gegen die Regierung Kebitsch

■ Proteste in Weißrußland

Warschau/Minsk (taz) – Mehrere tausend Menschen haben am Dienstag vor dem neuen Parlamentsgebäude gegen die Regierung Kebitsch demonstriert. Gleichzeitig hatte die „Konföderation der freien Gewerkschaften“ zu einem Generalstreik aufgerufen. Die Demonstranten forderten den Abtritt der Regierung, die Einsetzung einer Übergangsregierung und Neuwahlen im März dieses Jahres.

Die Demonstration war der bisherige Höhepunkt einer Streik- und Protestwelle, die von der oppositionellen „Volksfront“, oppositionellen Parteien und unabhängigen Gewerkschaften für Dienstag ausgerufen worden war. Nach Angaben der Volksfront kam es am Dienstag noch zu zwei weiteren Kundgebungen in Provinzstädten, in manchen Betrieben bildeten sich Streik- und Protestkomitees. Bei der Volksfront hält man das Ausmaß der Proteste für einen „Erfolg für den Anfang“. Kommt die Regierung den Forderungen nicht nach, sollen für den 22. Februar erneut Proteste und Streiks organisiert werden.

Die Opposition hatte zu den Kundgebungen aufgerufen, nachdem der Parlamentspräsident Stanislas Schuschkewitsch vor zwei Wochen abgewählt worden war. Hauptkritikpunkt: die Annäherung an Rußland, die von der Regierung Kebitsch und Schuschkewitschs Nachfolger, dem ehemaligen Milizobersten Mietschyslav Gryb, betrieben wird. Im Parlament verfügt die Opposition nur über rund ein Zehntel der Mandate. Die Mehrheit stellen die wiedergegründete Kommunistische Partei und die ihr nahestehende „Bialarus“ unter Führung von Premier Kebitsch – und die wollen von Neuwahlen nichts wissen. Ob der Generalstreik befolgt wird, läßt sich nicht feststellen – nicht einmal von den unabhängigen Gewerkschaften selbst. Denn ein großer Teil der weißrussischen Betriebe arbeitet ohnehin schon seit geraumer Zeit nicht mehr, weil es an den zu teuer gewordenen Rohstoffen aus Rußland mangelt. Hinzu kommt, daß viele Betriebsleitungen ihren Arbeitern für die Zeit des geplanten Streiks kurzum Urlaub verordneten – so etwa im Minsker Autowerk.

Die Opposition hat kaum Chancen, sich mit ihren Forderungen durchzusetzen: Die meisten Arbeiter sind in den offiziellen Gewerkschaften organisiert, und die ökonomische Lage sorgt dafür, daß Streiks die Arbeitnehmer mehr unter Druck setzen als den Arbeitgeber Staat. Das könnte nur dann anders werden, wenn sich die offiziellen Gewerkschaften den Forderungen anschließen, weil ihre Mitglieder unzufrieden sind – wie 1991 bei spontanen Streiks gegen aus Moskau verordnete Preiserhöhungen. Der jetzige, von der kleinen „Konföderation der freien Gewerkschaften“ ausgerufene Streik hat dagegen fast ausschließlich politische Gründe. Klaus Bachmann