Klima-Kuhhandel

Internationale Klimakonferenz in Genf: Die Industrieländer machen ihre Klimapolitik im Süden  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Auf der internationalen Klimakonferenz in Genf wird seit über einer Woche darum gerungen, welche der klimapolitischen Maßnahmen, die eigentlich im Norden stattfinden müßten, der arme Süden denn bereit wäre zu übernehmen – gesetzt den Fall, der Norden zahlt.

Die Antwort muß nach den bisherigen Beratungen lauten: Mehr als zuvor gedacht. Hatten die Regierungen des Südens solche Deals bei der letzten Verhandlungsrunde in vergangenen August noch rundheraus als Neokolonialismus abgelehnt, so waren viele Äußerungen jetzt in Genf weit moderater. Man könne darüber schon reden, hieß es aus Mexiko oder Thailand – zumindest wenn der Norden seine klimpolitischen Versprechen aus Rio erfüllt. Technologietransfer und mehr Entwicklungshilfe verlangte Algerien für die Gruppe der 77, in der sich die Entwicklungsländer zusammengeschlossen haben.

Ein kämpferischer Ton wäre auch nicht angebracht gewesen. Nicht nur Polen und Mexiko, die schon im vergangenen Jahr einen klimapolitischen Kuhhandel mit Norwegen abgeschlossen hatten, auch einer der Wortführer der G77, die malaysische Regierung, betreibt inzwischen den Tauschhandel: Hilfsgelder für Klimapolitik durch Aufforstung.

So hatten der US-Stromkonzern New England Power Generation und die niederländische Regierung mit malaysischen Partnern entsprechende Abkommen geschlossen. Die Malaysier sollen 23.000 Hektar Wald pflanzen, um Kohlendioxid, das ein niederländisches Kohlekraftwerk ausstößt, mit ihren Bäumen wiedereinzufangen.

Solche Partnerschaften schienen nach der Klimakonvention von Rio zunächst nicht in Frage zu kommen. Eigentlich seien die Entwicklungsländer von den Kompensationsgeschäften ausgeschlossen, erinnert sich Reinhard Loske vom Wuppertal Institut für Klima, Energie, Umwelt: „Sie sind doch bei der Klimakonvention überhaupt noch keine klimapolitischen Verpflichtungen eingegangen.“ Mithin könne man bei ihnen gar nicht feststellen, welche zusätzlichen klimapolitischen Leistungen sie mit Hilfe ihrer nördlichen Geldgeber erbringen, die diesen dann gutgeschrieben werden könnten.

Nach dem jetzigen Stand der Klimakonvention kämen für diese sogenannte Joint Implementation daher nur die Länder Osteuropas in Frage, meint auch Thomas Stratenwerth von der deutschen Delegation in Genf. Die Debatte um die Anrechenbarkeit solcher Maßnahmen beziehe sich aber inzwischen auf die Zeit nach dem Jahr 2000. Und bis dahin – so hofft die deutsche Delegation – werde eine Verschärfung der Konvention beschlossen, mit festen Verminderungszielen und Zeiträumen. Unter diesen Umständen könne auch Platz sein für Kompensationsgeschäfte mit dem Süden.

Umweltschützer und Entwicklungsorganisationen reagieren skeptisch: Sie können sich Joint Implementation nur als hilfreich vorstellen, wenn sich der Norden verpflichtet, weiterhin mindestens 90 Prozent der Klimapolitik zu Hause zu machen. Dann müßten die Industrieländer weiter an der Einführung neuer energiesparender Technologien arbeiten.

Ums Gutschreiben gehe es noch gar nicht, versucht Stratenwerth die Gemüter zu beruhigen. Die allermeisten Industriestaaten wollten die Anrechnung von Joint-Implementation-Maßnahmen ohnehin bis nach der Jahrtausendwende verschieben. Delegationsleiterin Cornelia Quennet sieht in den Kompensationsgeschäften aber nach wie vor einen wichtigen Bestandteil der bundesdeutschen Verhandlungsstrategie. „Das eröffnet die Möglichkeit, in der Klimapolitik schärfer voranzugehen.“ Das durch billigen Klimaschutz im Süden gesparte Geld könne dann für zusätzliche Maßnahmen ausgegeben werden, heißt es dazu in der deutschen Verhandlungsposition. Und weiter: Den größten Teil der Emissionen (wieviel sagt sie nicht so genau) müsse der Norden zu Hause reduzieren, und Maßnahmen im Ausland sollen nur mit Abschlägen angerechnet werden dürfen.

Loske reicht das nicht: „Joint Implementation bedeutet Technologietransfer. Aber unsere Technologie, das Modell Deutschland 1990, ist nicht nachhaltig und darf deshalb nicht als Modell Uganda 2020 exportiert werden.“