Der Befreiungsschlag der CSU

Umweltminister Peter Gauweiler wird in die Wüste geschickt, damit Minister- präsident Edmund Stoiber sein Saubermann-Image behält  ■ Von Bernd Siegler

„Peter, wir brauchen dich.“ Vor vier Jahren hatte der neue bayerische Ministerpräsident Max Streibl seinen Innenstaatssekretär Peter Gauweiler zu dessen Geburtstag noch umschmeichelt. Amigo Max ist längst nicht mehr Ministerpräsident, und Amigo Peter, der einstige Hoffnungsträger der CSU, ist längst zu einer Belastung geworden. Die CSU-Spitze probt den Befreiungsschlag.

Lange Jahre war Peter Gauweiler als politisches Naturtalent in der CSU gefeiert worden. Protegiert von Franz-Josef Strauß, brachte es der CSU-Chef von München zum Kreisverwaltungsreferent der Landeshauptstadt. Sicherheit und Ordnung, Gauweilers Lieblingsthema, konnte er damit im Detail umsetzen. So verschaffte er sich ungeteilten Respekt, als er auf dem Oktoberfest für richtig eingeschenkte Maß'n sorgte.

Der nach dem Tod von Strauß kurzzeitig politisch kaltgestellte Gauweiler wurde von Streibl weiter ge- und befördert, obwohl er seiner Partei immer wieder massive Schwierigkeiten bereitete. Nach dem Fall der Mauer kämpfte Gauweiler gegen Parteichef Theo Waigel für eine bundesweite Ausdehnung der CSU. Vor eineinhalb Jahren brüskierte er, inzwischen längst Umweltminister, erneut die CSU-Parteispitze, als er zusammen mit Manfred Brunner einen Aufruf für eine Volksabstimmung über die Maastrichter Verträge startete. Gemeinsam mit Deutscher Volksunion und „Republikanern“ wetterte er gegen den Ecu als Esperanto-Währung.

Das Maß ist voll, hieß es damals schon hinter vorgehaltener Hand bei der CSU. „Wenn man in essentials permanent massiv Stellung gegen die Partei bezieht, dann schwächt man die Schlagkraft der CSU“, kritisierte Innenminister Edmund Stoiber, heute Ministerpräsident, seinen Kabinettskollegen. Nervosität kennzeichnete daraufhin den CSU-Parteitag in Nürnberg im November 1992. Dort schwadronierte Gauweiler zunächst über „Unkulturen“, „Einheitsmensch“ und „multikulturellen Wahn“, bevor er seinen Antrag zur Europapolitik stellte. Doch die Revolte scheiterte.

Gauweiler setzte nun voll auf die Landeshauptstadt München. Als neuer Münchner Oberbürgermeister, so träumte er, käme in der CSU niemand mehr an ihm vorbei. Zuerst zum Schrecken, dann zur Bewunderung der CSU-Spitze inszenierte Gauweiler letzten Sommer im OB-Wahlkampf in München eine Schlammschlacht erster Güte: München, nicht mehr länger eine „Weltstadt mit Herz“, sondern von den Sozis zu einer Stadt des Verbrechens und der „alternativen Schmarotzerbiotope“ herabgewirtschaftet. „Wir sind nicht ausländerfeindlich, sondern wir haben genug einheimische Lumpen, so daß kein Bedürfnis für ausländische besteht“, wetterte er auf seinen Wahlveranstaltungen. Mit seiner Angstkampagne holte Gauweiler gegenüber seinem SPD- Kontrahenten Christan Ude mächtig auf. Doch mitten in den Wahlkampf platzte die sogenannte „Kanzlei-Affäre“. Immer neue Details sickerten durch über die dubiose Verpachtung von Mandantenstämmen und über Zuerwerbsklauseln aus Gauweilers früherer Anwaltstätigkeit. Gauweiler unterlag schließlich Ude bereits im ersten Wahlgang.

Noch am Wahlabend stärkte Stoiber Gauweiler den Rücken. Gauweiler geriet zwar immer mehr unter Druck, doch die CSU-Spitze wollte ihn unbedingt halten. Aus politischem Kalkül: Der Rechtspopulist sollte nicht nur potentielle Rep-Wähler an die CSU binden. Sein Techtelmechtel mit Manfred Brunner, sein Interview in der rechtsextremen Jungen Freiheit, seine Reputation in Kreisen rechts von der Union, all dies lehrte die CSU das Fürchten, er könnte sich einer Partei rechts von der CSU anschließen.

Angesichts der Vielzahl der Affären jammerte letzte Woche CSU-Generalsekretär Huber, die Partei habe „die Krätze“ und werde sie „bis zur Wahl auch nicht mehr los“, und Stoiber sah sein Saubermann-Image zusehends bröckeln. Als dann Gauweilers Verstrickung in eine Korruptionsaffäre um zwielichtige Münchner Gastwirte bekannt wurde, war das Maß voll.

Kaum war Gauweiler nach einem Kreislaufkollaps genesen, bestellte Stoiber seinen Umweltminister zum Rapport und legte ihm einen freiwilligen Rücktritt aus „gesundheitlichen Gründen“ nahe. Alternative: unfreiwillige Entlassung, abgesegnet vom Landtag, wie es die bayerische Verfassung vorschreibt. Dann hätten die beiden Amigos Max und Peter wieder einmal weiß-blaue Geschichte geschrieben. Streibl als erster bayerischer Ministerpräsident, der affärenbeladen das Amt räumen mußte, und Gauweiler als erster gefeuerter Minister der Landtagsgeschichte.