Die Kosten der Landminen und ihrer Räumung

■ Minen sind Ausdruck der Kriegsführung gegen die Zivilbevölkerung / Zunächst ein billiges Mittel, ist ihre Beseitigung extrem teuer und zeitaufwendig

„In seinem Schuppen stand eine Kiste, so groß wie eine Bananenkiste, voller Minen. Die sahen von weitem aus wie verpackte Seifenstücke“, berichtete ein UNO-Mitarbeiter nach seinem Besuch bei einer kambodschanischen Familie auf dem Lande. Hinterlassenschaften aus dem Krieg. Kein Mensch weiß, wie viele ungenutzte Minen noch in kambodschanischen Privathäusern, Kasernen, Lagern und Verstecken auf ihre Stunde warten. Niemand weiß auch, wie viele noch in Reisfeldern, auf Straßen und Wegen, an Bahndämmen, in Seen und Flüssen lauern. Auf vier bis zehn Millionen belaufen sich die Schätzungen von UNO und internationalen Hilfsorganisationen.

Kambodscha ist keine Ausnahme: Nach Schätzungen des US- Außenministeriums liegen in Afghanistan zehn Millionen Landminen, im Irak fünf bis zehn Millionen, in Angola neun Millionen, in Kuwait fünf bis sieben Millionen, in Mosambik zwei Millionen, im Sudan zwischen einer halben und zwei Millionen, in Bosnien ein bis 1,7 Millionen, in Somalia eine bis eineinhalb Millionen und in Kroatien eine Million.

„Einfache“ Landminen sind billig zu haben – wenn sie nicht in Form von Militärhilfe ohnehin umsonst geliefert werden. Brasilianische Plastikminen, die vom Flugzeug abgeworfen werden können, sind für nur wenig mehr als zehn Mark pro Stück zu erwerben. Die aus Pakistan stammende P4 Mk2- anti-personnel-Mine kostete 1992, laut Verkaufskatalog, 6,75 Dollar ab Karachi. Sie ist unter anderem in Somalia verbreitet. Wie die meisten neueren Minen soll sie nicht töten, sondern verkrüppeln. Das sei besser, da für den Gegner teurer, heißt es in der Werbung der Herstellerfirma. Außerdem wirke ein verwundeter Soldat sich negativ auf die psychische Verfassung seiner Kollegen aus. Diese Anpreisung ist nicht nur an sich zynisch. Sie tut auch so, als ob es sich um „ganz normale“ Waffen handelt, mit denen sich Soldaten gegenseitig nach dem Leben oder den Gliedmaßen trachten. Landminen aber sind der Inbegriff des Krieges gegen die Zivilbevölkerung. Wenn sich die Generäle längst die Hände geschüttelt oder ins Ausland abgesetzt haben, geht das systematische Leiden und Sterben noch lange weiter.

In Kambodscha töten oder verkrüppeln sie jeden Monat mehrere hundert Menschen. In Irakisch- Kurdistan sind es Dutzende oder auch Hunderte. Nach Informationen von „medico international“ sind dort zwischen August 1991 und August 1992 über 1.260 Menschen durch Minen ums Leben gekommen, 3.325 Menschen wurden verletzt. Die meisten Minenverletzten überleben nicht, weil sie nicht früh genug ärztlich versorgt werden können. Und wenn sie das Glück haben, noch ein Krankenhaus zu erreichen, hilft oft auch ein Röntgengerät nicht, um die im Körper versprengten Minenteile zu finden: Plastikteile bleiben unsichtbar.

„Einfache“ Minen mögen billig sein, ihre Beseitigung aber ist teuer. Vom Flugzeug aus kann man in kürzester Zeit viele Quadratkilometer verminen. Die einzige sichere Methode, Landminen aufzuspüren und unschädlich zu machen, ist viel komplizierter: Auf Händen und Knien langsam vorwärtszurobben und mit einem Messer sachte im Boden zu graben, um die Metall- oder Plastikminen zu finden und zu verhindern, daß Stolperdrähte oder andere Auslöser berührt werden.

In Afghanistan rechnet man, daß es fünfzehn Jahre dauern wird, wenn man nur die wichtigsten Gebiete, Dörfer, Straßen und Felder von Minen befreien will. Über 4.000 Jahre bräuchte man zur Beseitigung aller Minen. Berichten zufolge hat die offizielle UNO-Minenräumeinheit in Afghanistan allein bei der Säuberung von 68 Quadratkilometern 16 Mitarbeiter verloren, 20 wurden verletzt.

In Kambodscha werden die Räumungskosten auf rund 1.000 Dollar pro Mine geschätzt. Die UNO-Friedenshüter hatten dort ein Budget von etwas über 20 Millionen Mark für ihr Anti-Minen- Programm zur Verfügung. „Selbst wenn man nur die wichtigsten Gebiete und Verkehrsverbindungen räumt und sich sonst auf die Markierung gefährlicher Gebiete beschränkt, brauchen wir hier mindestens dreißig Jahre“, so ein UNO- Minenexperte. Jutta Lietsch