Kompromiß um „Siemensstadt“?

■ „Naturerlebnisraum“ im Hollerland? / Bau-Abteilung von Siemens prüft Kompromiß-Vorschlag von Gerold Janssen

Der Hollerland-Turbo auf der Siegesstraße! Daß der einsame Protest von Gerold Janssen gegen die „Siemensstadt“ Uni-Ost trotz der Zusagen an den deutschen Elektro-Konzern noch Einfluß haben könnten auf die Baupläne, hat monatelang kaum jemand noch geglaubt. Und nun hat er es doch geschafft: Gestern haben die Ampel-Mitglieder der Deputation für Stadtentwicklung verabredet, heute in der Sitzung nicht wie geplant den Bebauungsplan für die Siemens-Ansiedlung im Gewerbegebiet Uni-Ost im Hollerland festzuklopfen, sondern nur einen „weichen“ Beschluß zu fassen, der allerlei Spielräume für Verschiebungen läßt. Und die zentrale Bauabteilung des Siemens-Konzerns in München prüft den „Kompromißvorschlag“, den Gerold Janssen gemacht hat.

“Das ist ja sowieso der Bürgermeister von Horn“, hat Wirtschaftssenator Jäger einmal geschimpft. Ohne Janssen läuft da, zumindest im Hollerland, nichts. Der Mann, der für seine Zähigkeit und dann doch Beweglichkeit im entscheidenden Moment beim jahrzehntelangenen Kampf um das Hollerland das Bundesverdienstkreuz erhalten hat, hat in den letzten Monaten weiter gewühlt. In der Stadt malten er und Freunde Anti-Siemens-Parolen auf das Pflaster, um die Öffentlichkeit auf eine unnötige Zerstörung einer kleinen Natur-Wildnis im Gebiet Uni-Ost aufmerksam zu machen. In Kreisen der Grünen setzte er mit seiner enttäuschten Kritik Umweltsenator Fücks unter Druck. Und an der Börse kaufte der Umweltschützer Siemens-Aktien, um sich bei seinen Bemühungen um direkten Kontakt mit dem Konzern-Vorstand in München als „Aktionär“ empfehlen zu können. Nachdem der Versuch, Siemens ganz aus dem High-Tech-Park wegzukriegen, offenbar nicht durchsetzbar war, schwenkte Janssen gleichzeitig ein und entwickelte einen „Kompromißvorschlag“, nach dem der ökologisch wertvollste Teil des geplanten Siemens-Geländes als Natur-Wildnis erhalten bleiben soll. Der Konzern soll das Gebäude, in dem er seine in Bremen zerstreuten Verwaltungen konzentrieren will, auf einer weniger wertvollen Fläche errichten.

Gerold Janssen bietet an, daß der Gesamtverband Natur- und Umweltschutz im Falle eines Kompromisses auf die Möglichkeit, durch Verwaltungsgerichtsklagen die Genehmigungsverfahren lange hinauszuzögern, verzichten würde. Dafür will er etwas „haben“: Siemens soll auf der neuen, etwas kleineren Fläche „modellhaft nach den modernsten Kriterien ökologischen Bauens“ bauen und der „Naturerlebnisraum“ soll auf 99 Jahre einer Umwelt-Stiftung zur Verwaltung übertragen werden. „Naturerlebnisraum“, weil dort nach einem Gutachten der Naturschutzbehörde nicht nur seit Jahren Fora und Flauna wild wuchern, sondern auch Kinder einen im Bremer Osten einmaligen Natur-Abenteuerspielplatz entdeckt haben, „wie zeitweilig angelegte Stau- und Hafenbecken zeigen“.

Vor einer Woche hat Janssen mit dem zuständigen Münchener Konzernvorstands-Mitglied Briese lange telefoniert und den Eindruck gewonnen, daß dem Konzern weder die ökologischen Belange noch ein entsprechendes Negtiv-Image in Bremen egal seien. „Ein Kompromiß ist möglich“ verkündete Janssen gestern auf einer Pressekonferenz hoffnungsvoll.

Sein Kompromißangebot hat Umweltsenator Fücks auch schon den Siemens-Vertretern übergeben und Klaus Mayer, für die Infrastruktur zuständiges Mitglied der Betriebsleitung Hamburg/Bremen, läßt es derzeit überprüfen. Man wolle nicht „unnötig vor Gericht“ um die Genehmigungen streiten, sagt Mayer. Den Eindruck, der Siemens-Konzern habe es sowieso nicht so eilig und sei gar nicht so böse über eine Verkleinerung der Fläche, weist Mayer zurück: „Aus heutiger Sicht wollen wir unverändert da bauen“,man plane seit 1988.

Im April kommt Vorstandsmitglied Briese aus München ins Hollerland, und dann will er persönlich ihm das Gelände zeigen und seinen Kompromiß erläutern. Die Stadtentwicklungs-Deputation wird, so versprach gestern der Ressort-Vertreter Edo Lübbing, unter diesem Eindruck heute den alten Bebauungsplan nicht verabschieden, sondern nur „weiche“ Beschlüsse fassen, die für eine weitere Annäherung zwischen Siemens-Konzern und Gerold Janssen offen sind. „Wir finden es gut, daß es da einen Dialog gibt“. K.W.