Sandmännchenpapa

■ Tschechische Video-Werkschau

Schwarze Plastikplanen liegen zerknüllt auf dem Boden. Im Hintergrund bilden kleine Quadrate eine Wand. Davor schrauben und winden sich zwei Menschen umeinander. Die Langsamkeit, in der hier agiert wird, ist ein Spiel zwischen Zuneigung und Zueignung und gleichzeitig ein Spiel mit der Zeit. Eine Art Symbiose zeigt diese contact improvisation. Sie ermöglicht dem Zuschauer, die Realität mit anderen Augen zu sehen.

Der im vergangenen Jahr verstorbene tschechische Video-Veteran Radek Pilar läßt vor dieser Schwarzweiß-Performance kolorierte Flammen als Symbol der Vergänglichkeit tanzen. Dieser short cut mit dem Titel „Painting“ fällt aus Pilars künstlerischer Linie heraus: Primär sind seine Videoarbeiten minimalisierte, sozialkritische Poesie – die spielerische Weiterentwicklung eines Einfalls, der dem Künstler auch in Deutschland zu einem Namen verholfen hat: Pilar ist Vater des „Sandmännchens“.

Bunte Figuren bestimmen das Gros seiner Arbeiten. Manchmal lösen sie sich in geometrische Körper auf, manchmal werden sie ihrer Bedeutung beraubt. Beispielsweis in Pilars Video „Cas smutku“ (Traurige Zeit), der neben weiteren Arbeiten nun in einer Werkschau im Tschechischen Zentrum zu sehen ist: Bunte Marionetten liegen in trockenem Herbstlaub wie Spielzeug, an dem Kinder kein Interesse mehr haben. Das Märchenland hat sich zu einer trostlosen Einöde verändert. Dazu tönen melancholische Einlagen aus Josef Suds „Pohadka“ op. 16.

Pilar wurde 1931 in Südböhmen geboren. Er studierte Grafik und Malerei an Prags renommierter Kunstakademie AVU. Anfang der Sechziger stand er unter dem Einfluß der Pop-art. Viele seiner letzten Trick- und Animationsfilme sind dadurch nachhaltig gezeichnet. 1985 gründete Pilar mit weiteren Künstlern das Fach „Filmanimation“ an Prags renommierter Film- und Fotoakademie Famu. Sein Streifen „Yes, no, yes...“ wurde auf dem 6. Videofest im vergangenen Jahr in Berlin ausgezeichnet.

Der Franzose Jean-Paul Fagier vom Cahier du Cinema beschrieb Pilars Atelier einmal als „frische Oase inmitten einer Wüste“. Ebenso frisch wie Pilars Malerei und Skulpturen sind auch seine Videos. Tomas Niederberghaus

Heute um 21 Uhr und am 19.2. um 17 und um 23 Uhr im Tschechischen Zentrum, Leipziger Straße 60, Mitte.