■ Das Portrait
: Paul Feyerabend

„Prinzip“ war ihm, genau wie „These“ oder „Standpunkt“, ein viel zu gewichtiges Wort. „Wie ein Grabstein“ laste der Methodenzwang auf ihm, gab Paul Feyerabend in Interviews gerne zu verstehen – und lieferte damit eine nonchalante Kurzfassung seines Hauptwerks „Wider den Methodenzwang“ (1976).

Philosophie als eher beiläufige, sich dem Alltagsdenken anschmiegende Disziplin – daß viele daraus bloß das berühmte „Anything goes“ heraushörten, daß also die gute alte These durch den philosophischen Slogan abgelöst wurde, liegt zumindest nicht ganz jenseits der Intentionen seines Urhebers. Paul Feyerabend war nicht nur ein philosophischer Außenseiter, er war auch ein früher Popstar unter den Denkern, ein Mann, der mit der Attraktivität seiner Aussagen dealte und guter Unterhaltung nie abgeneigt war. Jahre vor André Glucksmann und dessen Kritik an den „Meisterdenkern“ bot er den leicht melancholisierten Studenten im Nachfeld von „68“ die Chance, ihre eigene Freiheit zu denken und gleichzeitig die strengen Sekundärtugenden des Hegel-Marx-Kombinats wirksam zu unterlaufen.

So lässig gab sich Feyerabend nicht immer. Nach einem Theaterstudium in Weimar zog es den gebürtigen Wiener 1947 zurück in seine Heimatstadt, wo er u.a. mit Wittgenstein und Georg Hendrik von Wright in Kontakt kam und die Tradition des Wiener Kreises wiederaufzunehmen versuchte. P.F.: Früher Popstar unter den PhilosophenFoto: Anna Weise

Er übersetzte Popper, den er zunächst glühend verehrte. Erst aus dem Bruch mit dem Kritischen Rationalismus heraus entwickelte er in Berkeley jene anekdotisch-anarchische Attitüde, die den Hedonismus der Sechziger mit der späteren „Postmoderne“ verknüpfte.

Daß die „Postmoderne“ in den Neunzigern so rasant aus der Mode gekommen ist, spricht gegen manche seiner Interpreten, nicht unbedingt gegen Feyerabend selbst. Der Philosoph, der vorgestern, kurz nach seinem siebzigsten Geburtstag, an Krebs gestorben ist, hielt die Dinge eben gern in jenem Fluß, der den Staudamm von Tatsachen und „Kriterien“ umstrudelt. Philosophie als Dialog mit dem Nicht-Identischen, oft rasant, gern witzig, mitunter auch leicht stromlinienförmig – wenn es der besseren Verdauung diente. Wie er selber es ausdrückte: „Man unterhält sich halt.“ Thomas Groß