Keine Lösung ohne Suu Kyi

Birmas Oppositionspolitikerin ruft zur Einigkeit auf / Militärjunta: Kein „politischer Dialog“, aber „Gespräche“ möglich  ■ Aus Bangkok Bertil Lintner

„Ich werde meine Heimat niemals verlassen“, hat Birmas Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi ihrem Besucher am Montag erklärt. „Sie haben versucht, mich durch Druck dazu zu bringen, daß ich das Land verlasse, mit Methoden, die kein Land anwenden sollte, das sich selbst respektiert.“ Der US-amerikanische Politiker Bill Richardson aus New Mexiko war der erste Außenstehende, der sie in ihrem Haus an der University Avenue in Rangoon besuchen durfte. Seit sie am 20. Juli 1989 unter Hausarrest gestellt wurde, hatte die Militärjunta nur Besuche ihres Ehemanns und ihrer zwei Söhne gestattet.

Richardson war gestern vor Journalisten in Bangkok sichtlich von der Friedensnobelpreisträgerin beeindruckt: „Sie sagte, die Leute müssen sich zusammenschließen, wenn sie Demokratie wollen. Sie hat ihren Anhängern erklärt, daß sie sich vor dem herrschenden Militär nicht fürchten sollen. Sie ist bemerkenswert.“

Für den US-Parlamentarier ist Aung San Suu Kyi heute eine der beiden wichtigsten Personen in Birma, neben dem Chef des militärischen Geheimdienstes, Generalleutnant Khin Nyunt. Richardson hofft, daß sein Besuch den Weg zu Gesprächen geebnet hat. „Dies ist die Botschaft, die ich beiden überbracht habe: Sie müssen miteinander sprechen. Aung San Suu Kyi war sofort dazu bereit. Khin Nyunt sagte, daß er an keinem ,politischen Dialog‘ teilnehmen werde – allerdings meinte er, daß ,Gespräche‘ möglich seien.“ Er glaube, daß dies der erste Schritt auf dem Weg zu einer nationalen Versöhnung sein könne.

Skeptischer äußerten sich birmesische Flüchtlinge, die an der Pressekonferenz teilnahmen. Aung Zaw, ein birmesischer Journalist, sagte: „Sie werden sie niemals freilassen. Das ist alles nur Show, um der internationalen Öffentlichkeit zu gefallen. Für uns Birmesen kommt dabei nichts raus.“

Andere Beobachter weisen darauf hin, daß das Timing des Besuchs nicht zufällig war: eine Woche vor der Tagung der UNO- Menschenrechtskommission in Genf, wo unter anderem die Menschenrechtssituation in Birma diskutiert wird. Im vergangenen Jahr hat der Sonderberichterstatter der UNO einen äußerst kritischen Bericht vorgelegt. „Solange die Verurteilung so massiv ist, bleiben Hilfsgelder und Kredite internationaler Finanzinstitutionen im Wert von mehreren Milliarden Dollar gesperrt. Die birmesische Regierung hat erkannt, daß es sie ziemlich viel kostet, Aung San Suu Kyi unter Hausarrest zu halten. Sie verbreiten daher die Illusion, daß etwas passiert“, sagte ein Beobachter in Rangoon.

Nach birmesischem Recht kann die 48jährige bis zu fünf Jahren ohne Gerichtsverfahren festgehalten werden. Diese Periode läuft am 20. Juli diesen Jahres aus. Doch der Vizechef der birmesischen Geheimpolizei, Lieutenant-Colonel Kyaw Win, hat am Dienstag erklärt, daß sie „mindestens bis nächstes Jahr“ unter Hausarrest bleiben wird. Begründung: Das erste Jahr werde nicht angerechnet.

Egal welche Manöver das Militär auch immer unternimmt, ein Ergebnis dieser Besuche ist klar: Aung San Suu Kyi konnte jetzt erstmals wieder ihre Stimme erheben. Sie konnte ihre Botschaft an die führenden Politiker der Welt übermitteln, an die Weltöffentlichkeit und ihre Anhänger im eigenen Land. Diese werden ihre Erklärungen über den US-Sender Voice of America hören. In einem Interview mit dem Korrespondenten der New Nork Times, der Richardson begleitet hat, sagte sie: „Was immer sie [die Regierung] mir antun, das ist zwischen ihnen und mir, das kann ich ertragen. Wichtiger ist, was sie dem Land antun... Es muß für sie sehr ermüdend sein, immer weiter zu lügen. Wahlen wurden versprochen, Wahlen wurden abgehalten, und trotz ihrer Niederlage an den Wahlurnen haben die Militärs an der Macht festgehalten. Die Menschen fühlen sich betrogen... [aber] sie sollten sich nicht fürchten.“

Aung San Suu Kyi, die bemerkenswerte Frau, die gegen die rohe Gewalt von Birmas repressivem Militär aufgestanden ist, hat wieder gesprochen. Was auch immer das Militär mit ihr vorhat: die Politikerin wird Teil der Lösung sein – oder es wird keine Beilegung der politischen Krise in Birma geben.