Atomstaat Rußland

■ 20.000 Sicherheitsverstöße 1993

Moskau (wps/dpa/taz) – Atomanlagen gefährden die Sicherheit und Gesundheit der Menschen in Rußland immer stärker. Atomunfälle, der Diebstahl von Uran, das Nichtbeachten von Sicherheitsvorschriften und das einfache Vergraben strahlenden Materials seien an der Tagesordnung, berichtete die russische Bundesatom- und Strahlenaufsicht gestern. Bei 5.500 Inspektionen seien nicht weniger als 20.000 Sicherheitsverstöße festgestellt worden. Ein Zehntel aller AKW-Arbeiter sei bei der Überprüfung ihrer Sicherheitskenntnisse durchgefallen.

Konsequenzen wurden nur begrenzt gezogen: Die unabhängige Behörde hat im vergangenen Jahr nur 78 der 14.500 Atombetriebe zeitweise geschlossen und ganze zwei Verantwortliche vor Gericht gebracht. Bei 10 Diebstählen seien 350 Kilogramm abgebranntes und mehrere Dutzend Kilogramm angereichertes Uran geklaut worden, berichtet die Atomaufsicht, das Atomministerium räumt nur drei Diebstähle ein.

Das AKW Bilibono im Fernen Osten läuft weiter, obwohl die Strahlenmeßanlagen abgeschaltet worden sind. Keiner der 29 Meiler des Landes verfüge über Anlagen zur Verpackung des Atommülls für eine längerfristige Lagerung, und die Zwischenlager an den AKW-Standorten seien 1996 voll.

Trotz alledem will das russische Atomministerium 1993 keinen einzigen schweren Zwischenfall registriert haben. Allerdings, so räumt man auch im Ministerium ein, zeigten Atommeiler der ersten Generation – wie auf der Kola-Halbinsel, bei Nowoworonesch, St. Petersburg oder Kursk eine immer größere Störanfälligkeit.

Nach russischen Angaben fehlt es vor allem an Geld. Die Stromkunden zahlten nicht an den staatlichen Atomkonzern „Rosenergoatom“. Die Außenstände hätten bis Februar schon 393 Millionen Mark erreicht. Die AKW Smolensk, St. Petersburg und Kursk müßten wegen Brennstoffmangels möglicherweise schon in zwei Wochen abgeschaltet werden. ten