„Die CSU ist nicht mehr Bayern“

■ Der Politologe Alf Minzel über die Schwierigkeiten der CSU mit den „Republikanern“

taz: Herr Minzel, halten Sie das Saubermann-Image, dem Ministerpräsident Stoiber nun seinen Umweltminister Peter Gauweiler opfert, für eine erfolgreiche Strategie in Bayern? Man war ja von Strauß anderes gewöhnt.

Minzel: Ja, Strauß hatte aber auch andere wirtschaftliche Bedingungen und – vor der Vereinigung – ein stabileres Herrschaftssystem. Die CSU steht ja auf allen Ebenen, in Europa, in Bonn, ungünstiger da. Die Ausgangslage hat sich aber auch in Bayern verschlechtert, weil klar ist, daß die bisherigen Strategien der CSU nicht mehr ohne weiteres erfolgsträchtig sind. Deshalb muß die Partei sich in diesem Wahlkampf genauer als früher fragen: Wo liegt ihr Potential? Die absolute Mehrheit, die die CSU in Bayern nun seit über einer Generation sowohl bei Landtags- wie auch bei Bundestagswahlen hält, droht verlorenzugehen. Ich gehe davon aus, das sie die nicht mehr halten kann. Damit unterschreitet die CSU eine magische Grenze und verliert das Image der Staatspartei. Sie kann nicht mehr darauf setzen, daß die Leute glauben, CSU sei gleich Bayern.

Ist Stoibers Präsentation von Politik denn geeignet, das größtmögliche Potential auszuschöpfen? Ihm wird ja jetzt vorgeworfen, er sei zu rigide, zu wenig volkstümlich und in seiner Abgrenzung zu den Reps zu fundamentalistisch. Verliert die CSU also nach rechts?

Stoiber ist in einem echten Dilemma. Zum einen drohen der CSU Verluste bei urbanen, aufgeschlosseneren Konservativen, die auf den Filz allergisch reagieren. Es gibt ja nicht nur das materielle, sondern auch das immaterielle Amigo-System, dieses Miteinander von Staat, Staatspartei, Kirchen, Universitäten und anderen Institutionen. Das ist so eng, daß inzwischen ein großer Frust entstanden ist. Das größere Potential liegt aber sicherlich rechts von der Mitte. Diese Rechtskonservativen liegen ja in etlichen Gebieten weit über zehn Prozent. Stoiber war ja angetreten als einer, der nach rechts integriert. Die Hauptgefahr ist nach wie vor eine Abwanderung zu den „Republikanern“ oder in das Nichtwähler-Lager.

Was würde denn passieren, wenn Stoiber durchblicken ließe, daß er sich – nicht gleich, aber vielleicht später – durchaus eine Zusammenarbeit mit den Reps vorstellen könnte?

Sie können nicht den Verfassungsschutz auf eine Partei ansetzen, um sie in die rechtsradikale Ecke zu stellen, und gleichzeitig Koalitionen andeuten. Das wäre zu unglaubwürdig.

Wird der CSU in Bayern denn ihre Abgrenzung zu den Reps geglaubt? Programmatisch ist Stoiber ja häufig nicht weit von Schönhuber entfernt.

Bei der Ausländer- und Asylpolitik stimmt das sicher. Im CSU- Grundsatzprogramm steht beispielsweise, Bayern sei nicht multikulturell. Bayern als eine monokulturelle Stammesgesellschaft also, was heißt denn das. Das ist schiere populistische Begriffsverwirrung, die so tut, als wäre Bayern eine archaische Stammesgesellschaft – das kann ja gar nicht sein. Das ist so eine Variante des völkischen Gedankens, die nicht ein geschlossenes rechtsradikales Denken voraussetzt. Streibl hat ja dann noch die Parole ausgegeben, Multikulturell sei multikriminell, da gibt es ja nun Annäherungen.

Das Treffen Streibls mit Schönhuber hat die Abgrenzung zu den Reps ja nun auch nicht glaubwürdiger gemacht...

Ja, es gibt natürlich Leute in der CSU, bei denen ist die Abgrenzung zu den Reps unscharf, da gibt es keine prinzipielle Gegnerschaft. Da werden die Aussagen mehrdeutig, aber darin liegt ja auch das Fließende. Man will ja diese Rechtskonservativen nicht verprellen.

Schafft Stoiber es denn, die Reps unter 10 Prozent zu halten?

Sicherlich nicht überall in Bayern. Wir wissen, daß die Reps, anders als früher die NPD, sich nicht nur auf einige Gegenden stützt, sondern ein allgemein bayerisches Problem geworden sind. Das ist also nicht einfach eine Variante der NPD. Der Schönhuber kann als Populist der CSU in einigen Bereichen durchaus Paroli bieten.

Heißt das, es ist der CSU nicht gelungen, Schönhuber in die verfassungsfeindliche Ecke zu stellen?

Nein, das ist ihnen nicht gelungen. Die Situation der CSU ist labil, sie sind sehr nervös, die strategischen Rezepte greifen nur bedingt, und man ist sich seiner Vorgehensweise überhaupt nicht sicher. Diesmal kommt es wirklich auf die Wähler an. Interview: Jürgen Gottschlich

Alf Minzel ist Professor für Politische Wissenschaft an der Universität Passau