Die Heilung für alle kommt!

■ Oder doch die Apokalypse? Ein internationaler Kongreß soll klären, was an den Weissagungen des Nostradamus dran ist Von Ruth Hoffmann

„Das neue Zeitalter beginnt noch in diesem Jahr, und zwar hier in Hamburg. Die Heilung für alle kommt!“ verkündet schwärmerisch eine Frau im weißen Kostüm. Als Grundlage für die erfreuliche Aussage dienen ihr die 400 Jahre alten Weissagungen des Michel de Notredame alias Nostradamus, der im Frankreich des 16. Jahrhunderts lebte. Ihm, der in seinem bewegten Leben als Arzt, Astronom, Alchimist und Astrologe tätig war, ist ein Internationaler Kongreß gewidmet, der heute in Hamburg beginnt.

Drei Tage lang legen Nostradamus-Experten aus aller Welt ihre neuesten Forschungsergebnisse vor. Über 150 Anmeldungen sind beim Veranstalter, der esoterische Buchhandlung „Wrage“, für den 140 Mark teuren Kongreß eingegangen.

Moderator ist der Fernsehjournalist Wulfing von Rohr, der die These vertritt, Nostradamus sei zwar ein herausragender Mensch, jedoch bestimmt kein Prophet gewesen. Das sehen viele Forscher anders, und über die Interpretation der Weissagungen sind stapelweise Bücher auf dem Markt – jedes mit dem Anspruch, den richtigen Blick in die Zukunft werfen zu können.

Während des Kongresses soll es in Vorträgen, Diskussionen und Seminaren um die Frage gehen, ob es überhaupt möglich ist, Prognosen über das Kommende abzugeben. So sind neben Nostradamus-Forschern und Naturwissenschaftlern auch Acedai Dafi, Leiterin der „Atlantis Foundation zur Wiederentdeckung esoterischen Wissens“ und der Theologe Andreas Resch, der an der Lateran-Universität des Vatikan lehrt, eingeladen.

„Ich persönlich“, sagt Wulfing von Rohr, „will dem ganzen Schmarrn der Zukunftsängste wegen vorhergesagter Katastrophen den Boden entziehen.“ Tatsächlich zeichnen etliche Gelehrte, die sich mit den Versen des Nostradamus befassen, ein düsteres Bild von der Zukunft und sprechen vom „apokalyptischem Jahrzehnt“, das uns bevorstehe. Manfred Dimde beispielsweise, der als Seminarleiter am Kongreß teilnehmen wird, ist sicher, mit Hilfe eines selbst entwickelten Computer-Programms die rätselhaften Verse des alten Meisters entschlüsseln und deuten zu können. Er kündigt „extreme Hitze und Trockenheit“ und – als Folge davon – die Entvölkerung Italiens und seine Okkupation durch den Islam an, der „Rom im Jahr 2064 schließlich überrennen“ werde. Für 1994 stehen, laut Nostradamus-Dimde, „bittere Kriege“ bevor und „eine neue Atommacht droht“. Wulfing von Rohr kann das nicht schrecken. „Niemand kann sagen, was Nostradamus wirklich gemeint hat. Die Prognosen seiner Interpreten haben sich früher oder später als unzutreffend herausgestellt. Der Dritte Weltkrieg zum Beispiel wurde für 1990 angekündigt.“

Die Frau in Weiß läßt sich in ihrer Auslegung ohnehin nicht beirren. „Wir werden keine Elektrizität und keine Atomkraft mehr brauchen. Es wird genug Energie für alle geben. Ich hab sie gesehen, und Nostradamus hat recht.“