Der lange Treck des ANC

■ Kampf der Apartheid: Fünfteilige Dokumentation (Forum)

„Hat ja ganz schön lange gedauert, dieser Befreiungskampf“, meinte ein jugendlicher Festivalbesucher. Am Ende eines fast fünfstündigen, fünfteiligen Dokumentarfilms über die Geschichte des Jahrzehnte währenden Widerstands gegen Apartheid, ist man in der Tat erleichtert: 80 Jahre Kampf führten dazu, daß es in dem Land mit der ältesten Befreiungsbewegung Afrikas, dem „African National Congress“ (ANC), am Ende des 20. Jahrhunderts doch noch zum Sieg über die „Kolonialmacht“ kam.

Teil 1 der Videoserie „Ulibambe Ligashoni — Hold up the Sun“ setzt bei der Gründung des ANC im Jahre 1912 an, Teil 2 konzentriert sich auf die ersten Massenaktionen zivilen Ungehorsams während der 50er Jahre, Teil 3 auf die 60er nach der Zerschlagung des ANC, Teil 4 ist den späten 60ern und dem Schüleraufstand 1976 gewidmet, der letzte Teil endet mit der Freilassung Nelson Mandelas 1990.

Doch vor dem grandiosen Finale (Mandela spricht vor brausenden Hunderttausenden im Fußballstadion von Soweto) müssen erst die zahlreichen Erfolge und Rückschläge der vorhergehenden Jahrzehnte erlebt und erlitten werden. Dabei werden die Off-Kommentare häufig von Musik in melodramatischer Tonlage übertönt. Ab Mitte der 50er entwickeln die Bilder eine auf „Erlösung“ gerichtete Dynamik, die nicht zu den erfolgten politischen Rückschlägen paßt. So hangeln sich die Dokumentaristen von einer neuen Protest-Generation zur nächsten, ein anstrengendes Auf- und Ab aus singenden, demonstrierenden Menschenmassen und martialischem, in Zeitlupe erstarrtem Sicherheitsapparat.

Beeindruckend ist die Fülle an bisher unbekanntem frühen Dokumentarmaterial (besonders die 20er bis 40er Jahre in den Townships). Von großer Bedeutung für ein systematisch des- wie uninformiertes südafrikanisches Publikum sind zusätzlich die Einblendungen bekannter und unbekannter Zeitzeugen, die mit großer Leidenschaft erzählen. (Die ersten drei Teile des Films liefen im Januar im staatlichen Fernsehen SABC, bevor die Serie als ANC- Wahlpropaganda entlarvt und abgesetzt wurde. Alle Teile werden nochmals nach den Wahlen im Mai zu sehen sein.) Neben den alten Männern des ANC wie Walter Sisulu, Nelson Mandela und Govan Mbeki sind es die Exponenten der jüngeren Generation wie der letztes Jahr ermordete Chris Hani, die sich durchaus selbstkritisch über die ANC-Guerrilla (wahrscheinlich die erfolgloseste der ganzen Welt) oder das Lynchen politischer Gegner auslassen.

Daß das weiße Regime dann letztendlich doch zum Einlenken bereit war, ist — und auch das zeigt der Film sehr deutlich — dem erprobten zivilen Protest auf diversen gesellschaftlichen Ebenen (unter anderem den starken Gewerkschaften) zu verdanken.

Der ANC war immer Teil dieser Strukturen. Heute ist er Partei. Es ist daher nur folgerichtig, daß der Film mit der Freilassung Mandelas endet. Die südafrikanischen 90er harren noch ihrer Dokumentation. Andrea Seibel

Lesley Lawson, Brian Tilley, Laurence Dworkin, Clarence Hamilton, Mokonenyana Molete: „Ulibambe Lisaghoni — Hold up The Sun“. Video, Südafrika 1993/94, 5 x 52 Minuten. Produzent: Jeremy Nathan.