Das schöne Nichts

■ Interview mit Herbert Achternbusch

Im Savoy-Hotel in der „Times“- Bar sitzt Herbert Achternbusch mit seinen Freunden. Die ewige Frage kommt zunächst vorbei, ob ich denn mit Dietrich Kuhlbrodt verwandt sei, was ich hier ganz öffentlich bestreiten möchte. Herbert Achternbusch, der sehr entspannt und supernett schaut, und ab und an fast so bezaubernd lächelt wie Julia Tobschall, trinkt alkoholfreie Cola, mag keine Fans, ist schüchtern („Ja“) und zum Buddhismus „über die Malerei“ gekommen; er ist „immer irritiert“, wenn ihn „das Todesauge der Kamera anschaut“ und vor allem böse darauf, daß ich ihm unterstelle, er sei zahm und sanft geworden. „Paß auf, daß ich Dir nicht gleich das Mikro aus der Hand schlag. Aber es ist so: Wenn man immer gezwickt wird, wird man irgendwann kratzbürstig und wenn man gestreichelt wird, irgendwann sanft, aber das muß ja im Grundcharakter nichts ändern. Ich find zum Beispiel nicht, daß das ,Gespenst‘ rebellisch war oder religiöse Gefühle beleidigt hat. Dieser Film beleidigt doch viel mehr religiöse Gefühle. ,Wer an Gott glaubt, den wird der Teufel holen‘, heißt es. Mehr kann man doch eine gottgläubige Religion nicht beleidigen.“

taz: Sogar in einigen Münchner Szenen hat man das Gefühl, nicht mehr in einem deutschen oder bayrischen Film zu sein.

Herbert Achternbusch: Vielleicht ist Tibet ein Pseudonym für eine andere formale Beurteilung. Ich sage: Es gibt viele Filme über Tibet, aber mein Film ist von einem Tibeter gemacht. Das ist natürlich nur ein Spruch.

Ich hatte manchmal das Gefühl, es sei so eine Art buddhistischer Liebesfilm.

Was immer das auch sein mag. Oh je.

Was bedeutet Ihnen der Buddhismus?

Buddhismus ist für mich die einzige Religion, die versucht, sich selbst abzuschaffen. Da gibt es ja Sprüche: Wenn du einen Buddha siehst, hack ihm den Kopf ab. Wenn es einen Buddha gibt, dann gibt es den in dir und sonst nirgends. Und was jetzt so als Buddhismus aufgewärmt wird bei uns, das ist mir zu folkloristisch. Das ist die Ware. Da klauben sie sich halt so was heraus aus der geistigen Dritte-Welt-Boutique. Ich finde das ziemlich lächerlich. Orange tragen und sagen, man ist mildtätig, das will ja ein jeder. Das hat ja mit Buddhismus nichts zu tun. Das Wichtigste am Buddhismus ist, daß kein Schöpfergott da ist und daß darüber, wo man nichts weiß, nichts gesagt wird. Und daß du merken sollst, was du machst. Wenn du in die Scheiße trittst, sollst du wenigstens merken, daß du in die Scheiße trittst. Und wenn du 'ne gute Tat machst, dann machst du eben eine gute Tat, aber du sollst dir darauf nichts einbilden. Dafür kriegst du keinen Lohn. Es ist eigentlich nichts – das ist das Schöne daran.

Es gibt eine Szene, wo Sie vor sich den Weg pinseln, um keine Ameisen zu zertreten?

Das ist für mich der radikalste Umweltschutz. Ich glaub, das mögen die Leute. Wir können nicht mehr sagen, wir sind ganz oben und ganz unten sind die Ameisen. Das Leben ist nicht hierarchisch. Und so klug ist der Mensch nicht, daß er sagen kann: „Ich denke“ und zur Ameise sagen kann: „Du denkst nicht“ – das weiß er ja gar nicht, der Depp.

Das Gespräch ging noch weiter. Später kamen noch andere Journalisten. Die fragen nach der Verbindung zwischen „Little Buddha“ und Achternbuschs Film und lassen Annette Weber ganz herzlich grüßen. Interview: Detlef Kuhlbrodt