■ Einkaufseldorado Rom: Sieben Tage in der Woche
: Lunge der Stadt ohne Atem

Rom (taz) – Francesco Rutelli, soeben erst als Symbol der linksgrünen „Fortschrittsbündnisses“ zum Bürgermeister Roms gewählt, zeigt seine Muskeln. Eine „lebenswerte“ Stadt hatte der 40jährige Umweltschützer seinen Römern versprochen, mit „guter Atemluft, weniger Lärm, begehbaren Wegen und einem effektiven Dienstleistungssektor“. Er bekam an die 55 Prozent der Stimmen.

Als erstes beschert er der Stadt ein gutes Stück mehr Lärm, Luftverschmutzung und eher fragliche „Leistungen“: auch sonntags sollen – nein müssen, und zwar reihum – die Geschäfte in der Ewigen Stadt offen sein. Offenbar will der „Großbürgerliche im Kapitol“ (so das Satiremagazin Cuore) endlich, endlich die grauenhafte Vorstellung beseitigen, daß Kauffrauen/-männern am Tag des Herrn just jener Kunde entgeht, durch den sie ins Reich der Liremilliardäre erhoben oder zumindest vorm Untergang bewahrt würden.

Offiziell soll das natürlich dem Wohlbefinden der Römer dienen. Denn es ist ja auch wirklich eine Zumutung, wenn man schon am Samstagabend – die Geschäfte haben ja schließlich nur bis halb neun geöffnet – so schwere Entscheidungen fällen muß, wieviel Parmaschinken, Frühstückseier oder Marmelade man für den freien Tag wohl kaufen muß.

So lockt Rutelli nun auch noch am Sonntag Scharen von Autofahrern ins Zentrum, die sonst brav in den Vororten oder den Nachbargemeinden bleiben würden. Der „Tag, an dem die Lunge der Stadt wieder ein wenig zu atmen beginnt“ (La Nuova Ecologia) ist damit dahin, der Auspuff dominiert die Stadt auch noch am letzten Tag der Woche. Verärgert werden damit aber auch all jene, die gelernt haben, daß gerade der Sonntag der schönste Tag zum Spaziergang durch die Sehenswürdigkeiten der Stadt war: Da gab's kein Geschubse und Geboxe an den ewig durch die offenen Läden überfüllten Gehsteigen, man konnte stehenbleiben und die Details von Fassaden und Ausgrabungen angucken, so lange man wollte, weil auch auf der Straße kaum Verkehr rollte. Und da lag schon mal die Kuppel von St. Peter voll im Sonnenlicht und nicht unter der bereits notorischen Smogkappe.

Und man konnte mal mit den Verkäufern und Ladenbesitzern, die man sonst nur gestreßt herumwieseln oder hinter ihren Kassen fingern sah, in der nahen Bar einen Aperitif trinken und sich dabei über anderes als das Geschäft unterhalten. Ganz zu schweigen von den Angestellten, die sowieso eine volle Sechstagewoche schuften und nun, zumindest alle paar Wochen, auch noch den Sonntag dazu dienstbar sein müssen. Aus und vorbei mit dem schönen siebten Tag.

Es sei denn, es setzen sich diejenigen doch noch durch, die trotz Rutellis Anordnung am vergangenen, ersten „offenen“ Sonntag ihre Läden zugelassen hatten, manche mit Protestschriften im Schaufenster, manche mit der vorgeschobenen Begründung, schließlich sei Karneval, und da lasse man lieber die Gitter unten ...

Und vielleicht sprechen auch die Ordnungshüter ein kleines Machtwort: die „Vigili urbani“, die Stadtpolizisten, murren kräftig gegen die neue Regelung. Schließlich sind sie wie sonst niemand täglich dem Smog ausgesetzt, wenn sie Kreuzungen überwachen und an vielen Stellen den Verkehr regeln. Für sie „war der Sonntag nicht nur ein Ruhe-, sondern ein regelrechter Regenerationstag“, wie ein Sprecher betont. „Nun sollen wir wohl sieben Tage die Woche mit verpesteter Lunge herumlaufen.“ Gesegnetes Deutschland: Hier löst immerhin noch die Frage einer Öffnung bis nach halb sieben abends fünf Tage die Woche eine Revolution aus. Werner Raith