Ordentliche Kommunisten in der Diaspora

■ Gregor Gysis Politischer Aschermittwoch im Bräustüberl zu Ingolstadt

Ingolstadt (taz) – „Auch heuer wieder preist das Fremdenverkehrsamt Ingolstadt als Ziel für Betriebsausflüge an“ meldet der Donaukurier. Doch nicht jeder scheint willkommen. Verzichtet das Lokalblättchen deshalb auf Anzeigen wie schon eine große Überregionale? Ist man wegen der 80 Stelltafeln verunsichert? Die waren von Amts wegen tagelang aus dem Verkehr gezogen. Warum? So recht weiß es keiner – von Sturmgefahr war die Rede. Irgendwie muß sich die Botschaft dann aber doch rumgesprochen haben: Gysi kommt! Politischer Aschermittwoch, erstmals mit der PDS. Deren zwölf Ingolstädter Mitglieder können ihren Stolz auch kaum verbergen, das „Bräustüberl“ kann den Andrang nicht fassen. Rammelvoll ist's, 400 an weißblau gedeckten Tischen, 200 draußen bleibt der Blick auf den Star aus Berlin verwehrt.

Ein völlig neues PDS-Gefühl für Andreas Grund, Mitbegründer der örtlichen Parteizelle: „Auf der Straße werden wir schon mal gefragt, ob wir auch Ulbricht-Bilder verteilen. Aber der Gysi, der kommt an bei den Leuten.“

Stimmt. Obwohl sogar lokale CSU-Größen, Jusos und Grüne im Saal gesichtet werden, fällt kein böses Wort, geschweige denn ein Zwischenruf, als der Meister höchstpersönlich erscheint. Später läßt Nachwuchsgenosse Grund es sich nicht nehmen, 100 Mark Begrüßungsgeld und Bananen für den Ost-Promi nachzureichen.

Da bekommt auch der Seeger- Gerd wieder Farbe, der Wirt vom „Bräustüberl“. Vorher war's ihm ja schon ein bisserl mulmig wegen der PDS. Aber dann sei doch alles ganz ordentlich gewesen. „Anders als wie bei d' Reps!“ Selbst das beherrschende Konterfei von FJS neben dem Tresen haben die Kommunisten nicht angetastet.

Ach ja: Geredet hat Gysi auch. Gnadenlos populistisch, aber mit gewinnendem Witz. Sein „Ingolstädter Manifest“ („nicht durch Parteigremium bestätigt“) – ein Gemischtwarenangebot: Umbau der Gesellschaft, unmittelbare Demokratie, mehr Einfluß nichtstaatlicher Organisationen. Irgendwo zwischen Rundem Tisch und Komitee für Gerechtigkeit. Das stört hier keinen. Gysi kommt an. „Das hat Wählerstimmen gebracht“, schwärmt Andreas Grund und hofft bereits auf zwei Prozent bei den Landtagswahlen. „Der Gregor“ darf unterdessen Mitgliedsanträge unterschreiben.

Daß die 140.000 Restmitglieder der PDS recht wenig mit der Ausstrahlung des livehaftig erlebten Medienstars zu tun haben, das weiß im „Bräustüberl“ zu Ingolstadt ja niemand. Die meisten hier kennen von der Partei nur einen – und der heißt Gysi. Ulrich Leidholdt