Privat-Historiker mit Detail-Liebe

■ Harald Vieth suchte Geschichtsspuren in seinem Wohnhaus und entdeckte dabei die Jüdische Geschichte in seinem Viertel

Harald Vieth sieht sich eher als „kleine Leuchte“: Einen großen Wirbel möchte der Stadtteilchronist um seine Person nicht machen. Er ist eben einer in der Reihe derer, die sich um die geschichtliche Aufarbeitung ihres Stadtteils bemühen und möchte seine Veröffentlichungen entsprechend als „bescheidenen Beitrag“ zu deren Forschungen verstanden wissen. Der 1937 geborene und seit 1938 in der Hallerstraße 6/8 in Hamburg lebende Privat-Historiker begann vor sechs Jahren, die Geschichte des eigenen Hauses und seiner Bewohner näher unter die Lupe zu nehmen. Das Buch zum Haus – „101 Jahre alt und viel erlebt“ –, das er daraufhin 1988 schrieb, ließ ihn zwangsläufig auch auf das Verschwinden der jüdischen Mitbewohner stoßen.

Zunächst hatte Vieth das Buch für die Bewohner und wenige Interessierte in kleiner Auflage drucken lassen. Seiner individualistischen Arbeitsform entsprechend gab er dieses und die folgenden Bücher im Eigenverlag und zum Selbstkostenpreis heraus. Das Echo auf die Veröffentlichung war allerdings größer, als er erwartet hatte. Der seit 1965 wieder vorsichtig bestehende Kontakt des Hamburger Senats zu jüdischen Emigranten erleichterte den gegenseitigen Austausch, dem eine Menge Briefe und Fotos damaliger jüdischer Stadtteilbewohner zu verdanken sind.

Vieths auf Details bedachtes geschichtliches Interesse zog daraufhin größere Kreise, zunächst die Straßen in der Umgebung betreffend – 1991 gab er das Buch „Von der Hallerstraße 68 bis zum Isebek und Dammtor“ heraus – , und schließlich folgte 1993: „Hier lebten sie miteinander“, eine Auseinandersetzung mit den Schicksalen jüdischer Bewohner in den Stadtteilen Harvestehude-Rotherbaum.

Auch das Material seines jüngsten Buches hat Vieth wieder aus Briefen, Dokumenten und Fotos von Hausbewohnern, deren Verwandten, Bekannten oder Freunden zusammengetragen, die auf die früheren Veröffentlichungen reagiert hatten. In einem längeren Vorwort geht der Autor dort auch auf die Zunahme rechtsextremistischer Gewalt ein und kommt auf den eigenen Stadtteil zurück: Vieth ist besorgt, aber doch zuversichtlich, denn die Gegenreaktion auf die 1992 mit Nazi-Sprüchen beschmierten Gedenktafeln auf dem „Platz der jüdischen Deportierten“ an der Moorweidenstraße war in Form von Transparenten und Gedichten wochenlang an Straßen und Schulen zu lesen. Als „Echo auf bisherige Veröffentlichungen“ druckte er in dem zuletzt erschienenen Buch auch den anonymen Brief ab, der den „Edelmut“ des Autodidakten in Sachen „jüdische Forschungsarbeit“ als Heuchelei bezeichnete, weil seine Eltern das Haus in der Hallerstraße selbst von jüdischen Inhabern übernommen hätten. Vieth stellte daraufhin Erkundigungen an, die allerdings, da sich die Umstände nicht mehr exakt rekonstruieren ließen, den Vorwurf weder vollständig zurückweisen noch ihn bestätigen konnten. „Ich glaube nicht, daß ich mich als edel hingestellt habe“, fügte er korrigierend hinzu.

Edel oder nicht edel, seine Veröffentlichungen kann man jedenfalls als einen beachtlichen „Beitrag“ zur Erforschung der Stadtteilgeschichte verstehen.

Simone Ohliger

Die Bücher sind zu beziehen über: Harald Vieth, Hallerstraße 8, 20146 Hamburg, Tel.: 452109