Nackte Lebenslust

■ Pro Familia feiert das 25-jährige Bestehen

„Die letzte Ausstellung, die ich in der unteren Rathaushalle gesehen habe, hieß Aufbruch in die Fremde. Hierzu könnte man sagen, Aufbruch in die Eigene. Man begegnet sich selber,“ fand Staatsrat Christoph Hoppensack von der Sozialbehörde, als er ein paar passende Worte zur Ausstellungseröffnung von Pro Familia sprechen sollte. Auf großen Stellwänden mit ebenso großen Fotos wird Sexualität bildhaft angesprochen. In vielen Wänden sind kleine Löcher, in die man neugierig hineingucken kann und ein Detail des Körpers oder ein lachendes Gesicht entdecken. Lust am Nackten, Lust am Leben, Lust auch am Älterwerden, all das und noch mehr ergab den Ausstellungnamen „Zwischen Lust und Moral“. Der Name war „eine schwere Geburt“, sagt Brigitte Honnen, Vorsitzende von Pro Familia. „Wir versuchten, den Begriff Sexualtität unterzubringen aber dann hätten alle nur Geschlechtsverkehr verstanden.“

Um in die Ausstellung hineinzugelangen, geht man durch ein schmales Tor. Darüber hängt riesengroß das Bild eines Neugeborenen. Die Ausstellung führt die BetrachterInnen so auf den Lebensweg von Geburt bis ins Alter. Die durch Bildtafeln abgetrennten Räume sind intim genug, damit man mal länger vor einem intimen Bild stehen bleiben kann. Die Gucklöcher heben die Peinlichkeit des Voyerismus auf: Denn in diesem Falle ist es erwünscht dort hineinzulinsen. So ist es im Konzept von Thomas Parschke vorgesehen, der an der Hochschule für Künste diese Arbeit zum Diplom einreichte.

„Wir hatten keine Lust uns darzustellen“, sagt Honnens. So wird die Arbeit des Pro Familia Beratungszentrums ganz am Rande der großen Bilder des Fotografen Will McBride als Dia-Projektion eingeblendet. Dort werden neben den Ankündigungen von Vorträgen und Diskussionen auch die Beratungsgesrpäche erwähnt. „Viele kommen zu uns mit dem typischen Satz: Wir verstehen uns gut, wir kommen gut klar, wenn das mit dem Sex nicht wäre...“, erläutert Thomas Jürgens, Pressesprecher und Berater bei Pro Familia. Über finanzielle Streitigkeiten, oder Problemen bei der Kindererziehung kämen die meisten hinweg, nur beim Sex ist es schwierig.

Wenn zum Beispiel ein Mann keine Erektion mehr bekommt oder die Frau keine Lust mehr hat, dann wird im Beratungsteam versucht je nach Problemlage eine Beratung zusammenzustellen. Kommt ein alleinstehender Mann, so könne es gut sein, ihm einen männlichen Berater gegenüberzusetzen. Aber häufig kommen Paare. „Da schaun wir erstmal hin, wo der Schwarze Peter liegt, ob beim Mann oder bei der Frau“, sagt Jürgens. Und danach wird die Beratungs-Person ausgesucht. Manchmal sei es gut, dem Paar auf der Beratuerebene ebenfalls als Paar zu begegnen. Das erste Gespräch ist kostenlos, danach handelt man einen Vertrag aus, wie lang die Beratung laufen soll, pro Stunde kostet es dann 80 Mark. „Wir sind Fachleute, und für die Beratungsgespräche bekommen wir kein Geld von der öffentlichen Hand.“ Bei Arbeitslosen und SozialhilfeempfängerInnen versuchen sie im Preis runterzugehen. Die öffentliche Förderung wird dem Verein bislang nur für ihre Präventionsarbeit in Schulklassen gewährt. Vivianne Agena

„Zwischen Lust und Moral“, tägl. geöffnet 10 bis 18 Uhr, bis zum 27.2.94