Katholisch und karrierebewußt

■ Ein junger Kandidat aus Osnabrück für das alte CDU-Programm

Ordentlich und freundlich, Christian Wulff erfüllt im Wahlkampf mit seinem stets tadellos gebügeltem Anzug alle Anforderungen der Werbe-Strategen. Mit seinen 34 Jahren hat der Kandidat schon 15 Jahre im CDU-Apparat hinter sich. Seinen Wahlkampf führt der geübte Taktiker vor allem in zwei Richtungen: Gegen die Grünen und gegen seinen Parteifreund Jürgen Gansäuer. Bei einer Wahlniederlage muß er sich nämlich mit dem jetzigen CDU-Fraktionsvorsitzenden um die Rolle des Oppositionsführers streiten.

In seinem Marsch durch die Partei-Institutionen versucht Wulff auf Zehenspitzen an die Spitze zu kommen. „Wir wollen keinen aufwecken“, erklärt er in Hannovers Nobel-Hotel Intercontinental, als er nach der Strategie gefragt wird, wie die jüngeren CDU-Politiker ihre älteren Kollegen entmachten wollen. Zusammen mit CDU-Generalsekretär Peter Paul Hintze, immerhin 43 Jahre alt, und dem JU Bundesvorsitzenden Hermann Gröhe rief Wulff vor wenigen Tagen eine Gruppe der Jungen in der CDU/CSU ins Leben. Aber nicht durch neue Inhalte, sondern durch neuen Stil will die Gruppe Profil gewinnen. „Wir wollen stärker untergehakt agieren“, sagt Wulff. Parteimanager Hintze, selbst innerparteilich geschwächt, erklärt Niedersachsen denn auch „zum Reformmodell für die CDU“. Daß Christian Wulff nach der Wahl die Nummer Eins der Niedersachsen-CDU bleibt, darauf kann und will er sich aber nicht festlegen.

Vor laufenden Fersehkameras verteilen beide am Kröpke Flugblätter an frierende Christdemokraten, die kurzerhand das Volk simulieren. "Für Wahlbeteiligung gegen Politikverdruss" heißt das Motto von Hintzes Wahlhilfe, die allerdings bei Passanten unbeachtet bleibt.

Drei Stunden spater, in Lüchow, ist die Aufmerksamkeit für den Wahlkämpfer Wulff größer. 500 Senioren sind zum Altennachmittag der CDU gekommen. Primeln und Geranien schmücken die Bühne, auf der die Gruppe Küchenfeen gerade das Lied von Herrn Pastor sin Kauh singt. Die örtlichen Gesangvereine hatten abgesagt, denn „die wollen keine Politik, und die Hälfte der Sänger kommt zu uns gar nicht erst mit“, erklärt ein Sprecher des Ortsvereins. „Glauben sie nicht an Wahlprognosen“, macht sich Christian Wulff in seiner Rede Mut, während die Rentner bei Kaffee und Kuchen sitzen. Er plädiert für den Ausbau der Kernenergie und den Bau neuer Autobahnen, wettert gegen übertriebenen Datenschutz und macht rot-grüne Blockadepolitik für Wirtschaftsflaute und Arbeitslosigkeit verantwortlich.

Fast teilnahmslos hört das Publikum zu, das im Durchschnitt etwa doppelt so alt ist wie der Kandidat. Sporadisch gibt es Beifall, wenn Wulff die Lebenserfahrung der älteren Generation lobt und verspricht, gegen Ausländerkriminalität vorzugehen. Drei Stunden später, in Wolfsburg, hält Wulff dieselbe Rede nocheinmal. Diesmal sind auch einige jüngere Leute im Saal, im Hintergrund hängt ein Plakat der CDU Wolfsburg, das Motiv: Ein grüner(!) VW-Golf. Wieder plädiert der selbsternannte Umweltschützer Wulff für mehr Autobahnen und Atomkraftwerke, artig bedankt er sich bei der älteren Generation. Der Mann wirkt kontrolliert und diszipliniert, er will an die Macht und arbeitet an seiner Karriere. „Mein großer Vorteil ist, daß ich noch nicht zu alt bin, es nochmal zu versuchen“, sagt er nach12 Stunden Wahlkampf und lächelt verbindlich. Konrad Baer