„Ein Wahlprogramm ist keine Bibel“

■ Gerhard Schröder über Grüne, U-Boote und Wahlversprechen

Der Blickfang im Foyer der niedersächsischen Staatskanzlei ist ein Schiffsmodell des Luxusliners Silja Europa. Es ist ein Geschenk von der Belegschaft der Papenburger Meyer-Werft. Charakteristisches Symbol für einen Ministerpräsidenten, der dieser Tage keine Betriebsversammlung in Niedersachsen verpassen mag.

Annähernd 80 Wahlkampfauftritte ablolvierte Gerhard Schröder (SPD) in den letzten vier Wochen und derzeit spürt er Rückenwind. Nicht zuletzt deshalb haben die Sozialdemokraten in der heißen Phase des Wahlkampfes die Strategie geändert. „Wir wollen die absolute Mehrheit der Mandate erringen. Und dann die bewährte Arbeit allein fortsetzen“, sagt Schröder. Nichts würde sich ohne die Grünen an der Regierungspolitik ändern, aber mühsame Abstimmungsprozesse würden vermieden.

Selbstbewußtsein wird demonstriert und der Basis macht es Mut. Beim Blick auf den Wahlkampf des kleinen Koalitionspartners zeigt sich der Regierungschef verwundert: Anstatt die zahlreichen rot-grünen Erfolge zu dokumenieren, distanzierten sich viele Grüne von dem achtbar Geleisteten, das sei eine völlig falsche Strategie. Schröder selbst hält, strategisch klug, trotzdem die rot-grüne Koalitionstür weit geöffnet: „Wenn wir es nicht allein schaffen, ist es eine pure Selbstverständlichkeit, die funktionierende Koalition fortzusetzten“.

Den Wirbel um die beabsichtigten U-Boot-Exporte nach Taiwan kann Schröder heute noch nicht verstehen: „Ich habe es damals für richtig gehalten und stehe auch heute zu meinen Ansichten“. Um einen neuen Sprachgebrauch hingegen ist der Ministerpräsident beim Eurofighther bemüht. Er habe sich nicht für dieses Kampfflugzeug eingesetzt. Dies sei auch nicht die Aufgabe der niedersächsischen Landesregierung sondern der Bundesregierung. „Solange die Bundesrepublik aber eine Bundeswehr hat, bin ich dafür, daß diese auch mit deutschen Waffen ausgerüstet wird“, sagt Schröder. Immer wieder kommt er zu seinen Lieblingsthema Arbeit, ohne um die Arbeitszeitverlängerung für LehrerInnen einen Bogen zu machen. Es gebe keine Modelle, die Unterrichtsversorgung aufrechtzuhalten ohne gleichzeitig draufzupacken. „Aber wir haben nichts mehr draufzupacken“, versucht er zu beschwichtigen. Arbeitzeitverkürzung könne nur eine Teilstrategie vornehmlich im Produktionsbereich sein. Die Diskussion über eine Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Dienst sei unrealistisch. „Für den öffentlichen Dienst habe ich mich von der Vorstellung einer Arbeitzeitverkürzung verabschiedet. Ich halte das für unmöglich“, betont der Regierungchef.

In der letzten Landtagswoche tobte ein heftiger Streit über die rot-grüne Verkehrspolitik. Schröder spricht sich klar gegen eine kommunale Nahverkehrsabgabe aus. Auch das Wirtschaftministerium hätte erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet. Zudem sei er sowieso gegen eine neue Belastungsdebatte. Die Belastungen der unteren Einkommensbezieher haben objektive Grenzen erreicht. Auch den Vorwurf der Wahllüge wischt er vom Tisch: „Das Wahlprogramm ist doch keine Bibel. Mag ja sein, daß das jemand beschlossen hat; aber wir können den Leuten nicht mehr zumuten“.

Die Ankündigung von Andrea Hoops, die Grünen wollten die Expo bei erneuten Koalitionsverhandlungen wieder auf die Tagesordnung setzen, verärgert Schröder. Die Bevölkerung Hannovers habe bei der Bürgerbefragung für die Weltausstellung entschieden. Die Grünen müßten die demokratischen Spielregeln anerkennen: „Das Thema ist durch“. Und was ist mit möglichen Ambitionen, im Oktober in Bonn ein Ministeramt zu übernehmen? „Die Möglichkeit gibt es nicht. Nix da!“ formuliert Schröder forsch. Mal abwarten.

Carsten Krebs