Talentiertes Zirkuspferd

Lorbeeren für den liebenden Anthony Hopkins und Freispruch für Debra Winger: „Shadowlands“ von Richard Attenborough im Wettbewerb  ■ Von Anja Seeliger

Uff, endlich mal ein Film, dessen Geschichte man in drei Sätzen erzählen kann. Ein Professor für englische Literatur (Anthony Hopkins) in Oxford verliebt sich im Jahre 1952 in eine Amerikanerin (Debra Winger). Jack gesteht seine Gefühle für Joy jedoch erst ein, nachdem er erfahren hat, daß sie an Knochenkrebs leidet. Jack und Joy heiraten, doch nach einigen Monaten des gemeinsamen Glücks stirbt sie, und jetzt muß er sehen, wie er damit zurecht kommt.

Man fühlt sich wie in einer römischen Zirkusarena: Jesus! Anthony Hopkins als Liebender, wird er damit fertig, kann das gutgehen? Die Antwort lautet: Ja. Hopkins nutzt all die Verlegenheitsgesten, die Schauspielern wie Meryl Streep und Robert De Niro den Ruf eingebracht haben, eine besonders realistische Schauspielkunst zu betreiben, all das Augenniederschlagen, das sich Verhaspeln und Übereinandersprechen und schnippst locker die Maniriertheiten dieser Gesten ab. In seiner Klasse spielt er zur Zeit allein.

Aber alles hat seine Grenzen. Attenborough läßt Hopkins mehrmals in die Kamera weinen, als führe er ein besonders talentiertes Zirkuspferd vor. Allein dafür gehört ihm eins auf die Mütze. Und die Fragen, die dieser Mann stellt! Was ist Liebe, was Glück, muß der Mensch leiden, um sich zu vervollkommnen oder genügt es, wenn er Bücher liest? Sicher alles sehr wichtige Dinge, aber so direkt darüber zu sprechen, ist einfach degoutant. Attenborough ist Engländer und sollte das eigentlich wissen.

Und wie schneidet nun Debra Winger in diesem Spektakel ab? So recht werden wir das nie erfahren. Zwar hat sie ein vorzügliches Entree in den etwas steifen Kreisen der männlichen Geistesgrößen Oxfords, doch nachdem sie ihren Mann, einen Alkoholiker, verlassen hat und endgültig nach England übergesiedelt ist, verkommt ihr Part auf das betrüblichste. Zu Beginn des Films ist sie eine Schriftstellerin, die einen guten Kampf liebt und sich mit einer genau bemessenen Dosis Direktheit das Interesse des Professors zu sichern vermag. Kaum im Besitz desselben beginnt jedoch auch schon die Nörgelei: „Du umgibst dich nur mit Jüngeren, Schwächeren oder Menschen, die du unter Kontrolle hast.“ Des Professors in harter Abeit erworbene Sicherheit mißfällt ihr nun. Nach ihrer Heirat leidet sie Schmerzen und darf nur noch stricken. Einfach unfair.

Als Fazit bleibt da nur: Der Lorbeerkranz gebührt Hopkins, Freispruch für Winger und für Attenborough – jetzt alle zusammen: Die Löwen, die Löwen!

Richard Attenborough: „Shadowlands“. GB /USA 1993, 132 Minuten