■ Sind Astrologen „Emissäre des Teufels“?
: Wenn der Papst Sternchen sieht

Rom (taz) – Wer am lautesten schreit, der hat am wenigsten zu sagen, so oder ähnlich lautet übersetzt ein italienisches Sprichwort. Man könnte es leicht abwandeln und auf die verzweifelten Versuche der katholischen Kirche in Rom anwenden, die auf sich aufmerksam machen will, koste es, was es wolle. Sie schreit zwar nicht sehr laut, aber sie mischt sich zunehmend in Bereiche ein, die sie für die Festigung ihrer Autorität zu früheren Zeiten nicht nötig hatte.

Neun Tage nach dem spektakulären Hirtenbrief vom 10. November letzten Jahres setzte man noch einen drauf: Im Religiösen Informationsdienst (Sir), der Nachrichtenagentur des Rates der italienischen Bischöfe, erschien ein Essay über die „positive Bedeutung des Fernsehens“ für den Glauben. Der Text gipfelte – mit alten Traditionen brechend – sogar in der Behauptung, daß das Fernsehen nützlich sei, weil es Gott über die Fülle an Informationen und „schönen Bildern“ näherbringe. Ein renommiertes Blatt faßte den Tenor des Artikels so zusammen: „Schaut fern, und ihr könnt euch wie der Allmächtige fühlen.“ In derselben Woche gab der Papst einer italienischen Priester-Initiative seinen Segen, die sich „Volksmission“ nennt. Die geniale Idee: Kirchenmänner sollen aus ihren Gotteshäusern jeden Tag ausschwärmen und in voller Montur auf der Straße, in Parks, vor Cafés, Bars und auf der Piazza das Evangelium predigen. Die schwarze Invasion soll zunächst nur in Rom stattfinden und dann die ganze Halbinsel überrollen. Panische Zappelreaktionen einer sich selbst permanent mit unzeitgemäßen Glaubensgrundsätzen ausbootenden, einst mächtigen Religionsgemeinschaft. In Italien lassen, für dortige Verhältnisse unerhört, immer mehr Menschen ihre Kinder nicht taufen, in Deutschland und anderen europäischen Staaten verzeichnen die Bistümer lawinenartige Kirchenaustritte. Das Halleluja-Prinzip ist passé – der Pontifex maximus wird sich warm anziehen müssen. Das weltweite, digitale Papstfernsehen (Jesus tv) kommt bestimmt. Wann, das steht allerdings wegen der finanziellen Sorgen der himmlischen Institution noch in den Sternen.

Letztere haben es den katholischen Vorbetern jüngst besonders angetan. Die Suche nach schlag(zeilen)kräftigen Themen ließ die Geistlichen über die in Italien große Schar von Sternendeutern und ihr „Sündenpotential“ sinnieren. Freilich mit unerwartet aggressivem Vokabular. Der Bologneser Kardinal Giacomo Biffi tituliert sie „perfide Emissäre des Teufels“ und verweist auf den Inhalt des neuen Katechismus (Punkt 2.116). Giuseppe Casale, Erzbischof aus Foggia, sehnt andere Zeiten herbei, „in der die Astrologen es weniger leicht gehabt hätten, ihre Produkte auf den Markt zu bringen und mit dem Leben glimpflich davon zu kommen“. Der Bischof aus Como, Monsignore Alessandro Maggiolini, mochte zwar nicht leugnen, daß „zwischen uns und den Sternen ein gewisser Zusammenhang besteht“. Aber, so seine Exzellenz, über deren Geheimnisse verfüge nur Gott. Und der werde diejenigen, die ihm ins Handwerk pfuschten, „mit einer gerechten Strafe bedenken“. Da Horoskope laut Katechismus Machwerke des Okkulten, der Gottlosen seien, werde sie „bestimmt über die Qualen im Höllenfeuer hinausgehen“.

Was die Leser solcher Produkte angeht, ist man unschlüssig, im Zweifelsfalle aber pro reo eingestimmt. Die letzten übriggebliebenen Schäfchen sollen ja nicht vergrault werden. Casale: „Ich kann verstehen, daß auch Katholiken im Scherz oder aus Neugier ab und an in einen Horoskop-Text blicken. Aber sie sollten aufpassen, daß dabei ihr Glauben nicht verloren geht.“ Zu häufiges Horoskop-Lesen könne mit einer Beichte geradegebogen werden.

Artikel zwei, Kapitel drei („Du sollst neben mir keine anderen Götter haben“), Punkt 2.116 des von Kardinal Ratzinger überarbeiteten und letztes Jahr wieder herausgegebenen Katechismus stellt Horoskope in eine Reihe mit Praktiken der Magie, der Zauberei und des Götzendienstes. Für die Katholiken verboten seien „sämtliche Formen der Wahrsagerei“. Dämonen- und Totenbeschwörungsrituale könnten die Zukunft nicht entschleiern. „Hinter Horoskopen, Astrologie, Handlesen, Deuten von Vorzeichen (wie den Träumen, F.Fo.) und Orakeln, Hellseherei und dem Befragen eines Mediums verbirgt sich der Wille zur Macht über die Zeit, Geschichte und letztlich über die Menschen sowie der Wunsch, sich die geheimen Mächte geneigt zu machen.“

Die Italiener – Katholiken bis ins Mark, aber höchst selten bis zu den Sternen – kümmert das wenig. Während die meisten Informationsblätter im krisengeschüttelten Italien um die Auflage kämpfen, gehen Astrologie-Periodika in den Zeitschriftenläden weg wie warme Semmeln. Das Monatsheft Astra konnte im Vergleich zum vorangegangenen Jahr ein Auflagenplus von 16 Prozent verzeichnen. Stand derzeit: 125.000 Exemplare. Zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Jugendlichen ist dieses Jahr vom gleichen Verlag Astrella (Sternchen) auf den Markt geworfen worden, Startauflage 60.000. Insgesamt teilen sich 17 Verlage den profitablen Kuchen der modernen Wahrsagerei. Die männlichen und weiblichen Madame Tessiers sprießen wie Pilze aus dem Boden und bevölkern auch Radio- und Fernsehstationen. Die Astrofundis des Vatikans stehen auf ziemlich verlorenem Posten.

Die Mailänder Astrologin Maria Carla Canta kontert den Astrofundis pfiffig mit einem Satz aus einem Buch des renommierten italienischen Theologen Giorgio Galli. „Die Sterne“, zitiert ihn Maria Carla Canta, „sind die Boten Gottes, damit beauftragt, der Erde seinen Willen mitzuteilen.“ Wie einst der Komet über Bethlehem. Alle wichtigen Erkenntnisse über die Menschheit, die die Wissenschaft zusammengetragen hat, seien den Sternen zu verdanken. Der Direktor der Zeitschrift Sirio (Auflage 60.000) meint, die Kirche solle froh sein, daß die Ideologie der reinen Vernunft versagt habe: „Wer Horoskopen vertraut, der will doch irgendwie zum Glauben zurückfinden.“ Franco Foraci