■ Press-Schlag: Psycho-Doping
Der Kollege schüttet Hustensaft in rauhen Mengen in den entzündeten Schlund. „Soviel Anabolika.“ Schluck. Sorry! Die Bazillen haben ihm den Sinn leicht verwirrt. „Antibiotika“, meint er. Natürlich. Aber, das wissen wir, im Sport geht es nicht immer mit rechten Dingen zu. Wobei nicht notwendigerweise Doping im Spiel sein muß.
Nehmen wir Langläufer Johann Mühlegg. Der sprach von Elektrolytgetränken, die jemand „besprochen“ habe, so daß ihm vom verhexten Gebräu speiübel wurde. Der gläubige Katholik, von allen guten Geistern verlassen, hat deshalb zur Reinigung von den Kräften der Unter-, Über- und Oberwelt 15 Liter Weihwasser im olympischen Reisegepäck. „Es hilft“, glaubt er. Und das ist die Hauptsache. Denn immer noch versetzt der Glaube Berge. Egal ob er sich aus der mittelalterlichen Mystik speist oder von modernen Alphawellen, mit denen angeblich die Japaner ihre meditativen Fähigkeiten unterstützen, getragen wird.
Psycho-Doping nennt sich die neue Trainingswissenschaft. Aberglaube sagte man früher. Fritz Fischer, Biathlet im Rentenstand: „Ich bin immer im gleichen Rennanzug gelaufen, nur weil ich damit einmal einen Weltcup gewonnen hatte, bis er an einem Baum zerriß. Sonst würde ich ihn wohl noch heute tragen.“
Der Glaube an irgendetwas, am besten auch noch an sich selbst, versetzt Berge. Siehe Markus Wasmeier. Service-Mann Helmut Mayer macht die Konkurrenz hellhörig: „Wir haben da etwas, das wir ins Wachs reinmischen.“ Keine Sorge, das ist keinesfalls unlauterer Wettbewerb, das Material darf getunt werden, nur der Mensch nicht. Mayer lacht: „Verraten wird's nicht, aber schnell ist es.“ Wer's glaubt, wird... Olympiasieger.
Eine, an die jeder geglaubt hat, ist es nicht geworden – Gunda Niemann. Sie hat sich aufs Glatteis begeben. Gerutscht und gestürzt. Bittere Tränen. Psycho-Doping hilft nicht immer. Manchmal können einem die eigenen Nerven auch einen Streich spielen. Wie bei Dan Jansen, dem Serien-Weltrekordler im 500-m-Sprint, gefallen in Albertville, aus der Kurve geflogen auch in Hamar. Gabi Fuß, die Bundestrainerin der deutschen Eisschnelläuferinnen, glaubt, es sei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. Sie hat Hand aufs Eis gelegt und hernach behauptet: „Es war nicht so fest wie beim Siegeslauf von Johann Olav Koss.“ Ein rutschiges Terrain, das Glatteis, das im „Wikingerschiff“ aus reinstem Trinkwasser hergestellt wird.
Eismeister Björn Lunstöng, dessen Gefrier-Tätigkeit von norwegischen Speiseeisherstellern finanziert wird, munkelten die Konkurrenten, verschaffe den Norwegern einen Heimvorteil. Die Niederländer vermuteten gar, über das Ventilationssystem erhielten die heimischen Skater eine Prise Rückenwind. Die Psycho- Fabrik läuft auf Hochtouren. -coh-
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