■ „Beruf: Neonazi“ im Fernsehen: Erst mal Ausschnitte
: Zeigen oder nicht zeigen

Die hiesigen Neonazis müssen ihre Videorekorder umprogrammieren. Denn „Spiegel-TV“ wird den Dokumentarfilm „Beruf: Neonazi“ heute abend nun doch nicht in voller Länge bei Vox senden. Es werden vorerst nur Ausschnitte und Interviews zu der Debatte um den umstrittenen Film gezeigt, die Langfassung soll erst zu einem späteren Sendetermin kommen. Die Protestbewegung von 130 Intellektuellen und Antifa-Initiativen gegen die TV-Ausstrahlung hat damit erste Wirkung gezeigt. Auch fanden sich auf die Schnelle anscheinend nicht mehr genug wirklich prominente Promis, die Lust auf eine anschließende Diskussion mit dem einfältig-verstockten Regisseur Winfried Bonengel hatten.

„Spiegel-TV“-Chef Stefan Aust streitet ab, daß die Programmänderung eine Reaktion auf den Protest sei. Er betont, daß man mit der Ausstrahlung der Ausschnitte bloß zum „ursprünglich“ geplanten phasenweisen Vorgehen zurückkehre: erst ein Magazinbeitrag, dann Ausschnitte und am Ende die Langfassung mit Diskussion. Das Überspringen von Phase zwei sei vor Wochenfrist ins Auge gefaßt worden, weil ein Sendetermin für die Ausschnitte bei Sat.1 am vergangenen Dienstag geplatzt sei.

Nach dem Protest müsse nun erst mal „eine Bresche geschlagen“ werden, um zu „einer sachlichen Debatte“ statt „aufgeregter Diskussion“ zu kommen, so Aust. „Bresche“ – das soll den Rückzieher kaschieren. Und bleibt doch bloß ein Stück Rhetorik im Quotenpoker. Aufklärerisch am Vorgehen von „Spiegel-TV“ ist bloß das Vordergründige, der Sound. Der reißerischen Überschrift des Vorhabens – „Zeigen statt zensieren“ – widersprach von Anfang an die pseudopädagogische Häppchentaktik.

Zeigen oder nicht zeigen, so einfach ist das nicht. Denn auch wenn es tatsächlich so ist, daß viele Leute, die über „Beruf: Neonazi“ reden, ihn bislang nicht ganz gesehen haben, auch wenn der Protest hysterisch daherkommt, gibt es weiter gute Argumente gegen eine TV-Ausstrahlung. So bietet sie etwa allen haupt- und nebenberuflichen Neonazis die Möglichkeit, sich „Kult“-Videos zu ziehen. Und es bleibt auch weiter fraglich, ob eine angehängte TV-Diskussion eine „Auseinandersetzung“ mit dem Film leisten kann. Dämpft sie nicht eher die persönliche Empörung der ZuschauerInnen ab, wie manche Kritiker meinen?

„Beruf: Neonazi“ wurde eben nicht fürs Fernsehen gemacht. Oder hätte Stefan Aust etwa Ewald Althans so brav in die Gaskammern von Auschwitz begleitet? Nein, so naiv ist man am Ende nicht mal bei „Spiegel-TV“ Hans-Hermann Kotte