Filet-Transfer in Eimsbüttel

■ Stadthaus Schlump soll am Donnerstag verscherbelt werden / Bewohner in Sorge um ihre Bleibe / Billiger Wohnraum wird vernichtet Von M. Carini

Eimsbüttels Bezirksamtsleiterin Ingrid Nümann-Seidewinkel war „ausgesprochen stinkig“. Kaum hatte die taz am 4. Februar veröffentlicht, daß das Stadthaus Schlump meistbietend an einen Investor verscherbelt werden soll, da griff die Sozialdemokratin wutschnaubend zum Telefonhörer. Gegenüber der Eimsbüttler GAL-Fraktionsvorsitzenden Cornelia Mertens machte sich die Bezirkschefin Luft: ganz offensichtlich, so meinte sie herausgefunden zu haben, habe ein Grüner die höchst vertraulichen Informationen über den Immobiliendeal ausgeplaudert.

So einen „Geheimnisverrat“, wetterte Nümann-Seidewinkel, habe sie in den 14 Jahren ihrer Regentinnenschaft „noch nie erlebt“, eine Strafanzeige will sie prüfen.

Zwar sah die Amtsleiterin von der Anzeige vorerst ab, die Geheimniskrämerei aber geht weiter: Das Geschäft soll möglichst geräuschlos über die Bühne gehen. Denn mit Stattbau und der Lawaetz-Stiftung wurden im Vorfeld zwei Bewerber um das Gelände ausgebootet, die hier vor allem preiswerten Lebensraum für sozial Benachteiligte schaffen wollten.

Doch für den Bezirk zählt nur das Geld, das die Interessenten mitbringen. Nümann-Seidewinkel: „Da die Stadt kein Geld hat, ist es vernünftig, das Gelände an den Meistbietenden zu vergeben“. Das soll am kommenden Donnerstag voraussichtlich passieren: Die Bezirksversammlung wird, geht es nach einem erneut „vertraulichen“ Antrag der bezirklichen Verwaltung, das Eimsbüttler Filetstück der Celler Investorengruppe „Gässner & Raab“ zuschlagen. Nach Art des Hauses: in nichtöffentlicher Sitzung, alles streng geheim.

So geheim, daß selbst die heutigen NutzerInnen von dem Immobilien-Deal nicht informiert wurden. „Wir haben erst aus der taz davon erfahren“, berichtet Andreas Leurer, Leiter der „Behinderten-Wohngruppe 101“. Etwa 30 behinderte Menschen hat die Evangelische Stiftung Alsterdorf im Stadthaus Schlump untergebracht. Sie müssen nun um ihre Bleibe bangen.

Denn auch die Alsterdorfer Zentrale schweigt sich darüber aus, was mit den zwei Behinderten-Wohngruppen, der dortigen Beschäftigungstherapie und den Ateliers der Behinderten-KünstlerInnengruppe „Schlumper Maler“ geschehen soll. „Wir haben keine Information, ob wir bleiben dürfen oder wo wir hinsollen“, klagt Leurer.

Immerhin: Leurer darf noch hoffen. Aus dem Rennen ist das bislang vom Bezirk mitfavorisierte Nutzungskonzept der mit dem Immobilienkonzern „Büll & Liedtke“ verschwägerten Unger-Gruppe, das überhaupt keine Einrichtungen für behinderte Menschen vorsah. Die Celler Investoren, die der Stadt 5,1 Millionen Mark für eine 75jährige Erbpacht zahlen Wollen, haben da schon mehr zu bieten: Nach ihrem Konzept sollen auf 9360 Quadratmetern Bruttogeschoßfläche neben 60 Normal-Wohnungen, 25 StudentInnenappartements und einer Kindertagesstätte auch zwei behindertengerechte Wohngruppen untergebracht werden. Daneben sind 15 altengerechte Wohnungen geplant, die Schlumper Maler sollen in die alte Kapelle umziehen.

Doch nicht nur die Zukunft der Behinderten ist ungewiß. Alsterdorf hat ungenutzte Gebäudeteile an private Wohngemeinschaften weitervermietet, deren Weiterbestehen im „Gässner & Raab“-Konzept nicht vorgesehen ist. Denn um die gebotenen 5,1 Millionen Mark wieder einzuspielen, müssen die Celler Investoren die erlaubten Miet-Grenzen voll ausschöpfen.

„Hier wird billiger Wohnraum zugunsten von teurem Wohnraum vernichtet“, befürchtet der Geologie-Student Christoph Seidel, einer der rund 20 Stadthaus-BewohnerInnen. Wie er bafürchten auch die Mitglieder der anderen Wohngemeinschaften, Ende des Jahres „auf die Straße gesetzt“ zu werden. Damit die Stadt Kasse machen kann.