Frankensteins Erben

■ Heute im „Aladin“: „Paradise Lost“ mit Gothic-Novel-Schwulst für Metalrocker

Lange galten ja die Sisters of Mercy um Oberschmachter Andrew Eldritch als die unumschränkten Könige des Pathos. Spätestens seit 1991 ist aber alles anders. Da veröffentlicheten Paradise Lost ihr erstes Album. Begonnen hatten die fünf Düstermänner aus dem britischen West-Yorkshire als lupenreine Metaller: die Gitarren einige Halbtöne runtergestimmt, der Gesang kaum ein Röcheln.

Und recht düster gingen Paradise Lost zwar schon immer zu Werke – konsequent klang das aber erst auf dem Heavy-Debüt „Gothic“, bei dem einige Tracks mit synthetischen Klassikstreichern und vor allem einer kraftvollen, weiblichen Opernstimme angereichert waren. Was erst als Produzentengag gedacht war, wurde zum Vorbild für ein neues Sub-Genre des Schwermetall – Gothic Metal.

Weil sich die Masche als Goldgrube erwies, sind inzwischen längst zahlreiche Paradise Lost-Epigonen aufgetaucht. Die beschränken sich freilich oft darauf, dumpfes Gitarrengedröhne mit Gruftie-Ästhetik und Klassikschnipseln zu wagneresk-pathetischen Epen aufzublähen. Die Originale aber um Sänger Nick Nolmes haben derweil Geschmack und musikalische Substanz bewiesen. Dickes Pathos bis zum Abwinken gibt's zwar auch hier. Die Band schafft es jedoch, kompositorisch hochkarätige Songs perfekt zu inszenieren. Die bleischwere Gitarre trifft auf das wehklagende Keyboard, Nolmes düsteren Gesang kontrastieren sinistere Frauenstimmen. Metalkonzerte atmosphärisch dicht wie eine Erzählung von Mary Shelley zu gestalten, ist der Anspruch der Briten. Dafür bietet der muntere Freistilcore der Holländer Crowbar einen reizvollen Kontrast zur schwere der Engländer. L.R.

Heute im „Aladin“, 20 Uhr