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Wo Stars zu Affen werden

■ Das Bremer Theater von hinten (2): die Maskenbildnerei, Ort der Verwandlungen/ Schäferhundsköpfe für die Tänzer

„Ich persönlich habe oft das Gefühl, das mehr hineingeheimnist wird in die Maske als es ist. Wir arbeiten wie alle anderen auch“, sagt der Chefmaskenbildner im Theater am Goetheplatz. Ein Blick in die Arbeitsräume der Maske bestätigt es: An kargen Bürotischen in einem schmucklosen Büroraum sitzen sie, die MaskenbildnerInnen, und knüpfen Perücken. Ein Stockwerk tiefer riecht es nach Haarsalon und Gummifabrik in einem. Daß in dieser Etage Verwandlungen stattfinden von Menschen in Hunde, von Alten in Junge, von zarter Schönheit zum Biest, ist den nüchternen Räumen nicht anzusehen.

Erst, wenn Ulrich Köckenmeister, Chefmaskenbildner, auf die Fotos an der Wand seines Büros weist, weiß man, hier geschehen mitunter kleine Wunder. Da ist eine Schauspielerin zum Jaguar mutiert: Auf die nackte Haut ist die Zeichnung des Fells geschminkt. Aus einem Schauspieler hat man sogar einen leibhaftigen Affen gemacht. „Das war unter dem Regisseur Brenner, der den Jungen Lord inzeniert hat“, sagt Köckenmeister und erinnert sich weiter: „Mit Brenner, oder Wernecke als Regisseur, oder den Johannes Scharf, da hat man sich gefreut, hier am Haus engagiert zu sein, weil die Inzenierungen so erfolgreich waren.“

Am Brennofen steht der Gipskopf eines Schauspielers. Für die Gummimasken und Brustpanzer müssen zunächst Abdrücke genommen werden. „Optisch gibt Kresnik immer sehr viel für uns her, deshalb mag ich ihn auch so“, sagt Köckenmeister und hält die Schäferhundemaske aus Latex der Kresnik-Inzenierung hoch. Um solche naturgetreuen Nachbildungen zu erstellen, muß viel mit Chemikalien gearbeitet werden. Bei 120 Grad im Ofen werden die Dreikomponentenkleber vulkanisiert. Auch einzelne Gesichtsteile, wie eine Nase mit faltigen Kinnbacken entspringen der gleichen Prozedur. Alle Gesichtsteile werden mit Latex auf die Haut geklebt.

Köckenmeister hat schon andere Zeiten gesehen am Bremer Theater, seit 22 Jahren arbeitet er dort. Inzwischen in seinem 42. Spieljahr angekommen, will er zum Ende der Spielzeit in Pension gehen. Angefangen hat er am Volkstheater in Rostock, dann ging es über Magdeburg, Dresden, Celle, Hildesheim, Hamburg nach Bremen.

„Wir Maskenbildner sind in erster Linie dem Regisseur verpflichtet“, sagt Köckenmeister. Auf den Konzeptionsgesprächen, die etwa fünf Wochen vor der Premiere stattfinden, treffen sich Köckenmeister und einige aus seinem 15köpfigem Team mit der RegisseurIn, BühnenbildnerIn und KostümbildnerIn des Stücks. Einen großen Teil der Arbeit nehmen dann die Perücken ein. Bis zu 55 Stunden sind die MaskenbilderInnen damit beschäftigt, einzelne Haare durch ein Tülltuch zu ziehen. Direkt hinter seinem Schreibtisch bewahrt Köckenmeister in etlichen Schubladen das kostbare Haar in allen Schattierungen auf: Schwarz, Braun, Henna; die Rottöne allein nehmen eine ganze Schubladenreihe ein. Etwa 12.000 Perücken liegen schon fertig bereit, alte Perücken werden auf- und umgearbeitet.

„Wir sind im Grunde Zwitter“, sagt Köckenmeister und denkt da gleich an zweierlei. In ihrer Arbeit müssen sie beide Kriterien erfüllen: die handwerkliche Seite wie auch die künstlerische. Und rein arbeitstechnisch fallen die Maskenbildner unter die Bezeichnung „künstlerisches Hilfspersonal“. Das bedeutet, daß sie stets nur einen Jahresvertrag erhalten – genau wie die SchauspielerInnen.

„Das Schönste an unserer Arbeit sind die Vorstellungen.“ Der Meister prüft mit einem kurzen Blick die aufgebauten Schminktische. Pinsel, Schwämmchen, Wimpern, Puder, Rouge, alles auf Zellstoff ausgebreitet: „Sauberkeit am Arbeitsplatz muß sein“. Die Sympathie für die SchauspielerInnen sei unterschiedlich: „Aber das darf man keinen merken lassen. Vor allem nicht vor einer Premiere. Bei uns wird jeder wie ein Star behandelt.“ Vivianne Agena

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