Hit The Road, Camilla!

■ Stark: „Sandra Bernhard — Confessions of a Pretty Lady“

Wenn es überhaupt irgendeinen Sinn hatte, eine Panorama-Sektion „Starke Frauen“ zu nennen, dann hängt er an „Jeanne La Pucelle“ und am Porträt der New Yorker Performance-Künstlerin und Stand-Up Comedian Sandra Bernhard. In der Regel weiß man von ihr höchstens, daß sie diese sexy Negerlippen hat und Madonnas Geliebte war/ist (Nachdem Madonna neulich müde wissen ließ „I think I've met everybody“ konnte einem das allein schon ziemliche Bewunderung eintragen).

Die Bernhard hat eine Position bezogen, von der ich mir in Deutschland überhaupt noch nicht vorstellen kann, daß es sie gibt, geschweige denn, daß jemand da ist, sie auszufüllen. Sie vertritt, wie die im Film auftretende, ihr feindlich gesinnte Camille Paglia spitz bemerkt, „neurotisches New Yorker Judentum“, tritt auf als dürre Lesbe in Negligé mit Zellulitis, läßt sich von Playboy zum Faltblatt machen und will Sprecherin sein, nicht nur für Lesben, sondern für „alle Frauen, um die sich immer noch irgend jemand kümmert, für Männer bin ich auch nicht verkehrt“. Sie liebt Barbra Streisand und weiß, daß heute überhaupt nur noch „Drag Queens“ mit damenhaftem Auftreten durchkommen. Sie jedenfalls will nicht als Freundin, Knatterlesbe, kesser Vater oder sonstwie behandelt werden, sondern als LADY.

Und es gibt ein paar kluge Kommentare: zur Frage eines Freundes, wann eigentlich in der Frauenbewegung die Betonung von Bürgerrechten dem Reden über Sex gewichen ist, über den Unterschied zwischen 70er und 80er politics, und ob eigentlich nur noch die Performance als feministische Praxis bleibt — Sandra, geh du voran! mn

Kristiene Clarke: „Sandra Bernhard – Confessions of a Pretty Woman“. USA 1993, 46 Min. (Panorama)