Chip-Tonne auf den Müll

■ Müllabfuhr testet halbherzig neuentwickelte Computermülltonnen

Für die Berliner Stadtreinigung (BSR) ist alles klar: Durch die Einführung von Computermülltonnen in Berlin ließen sich weder die Abfallmengen reduzieren noch gerechtere Gebührentarife erreichen. Möglicherweise ein vorschnelles Urteil – hat doch die BSR die Technik überhaupt noch nicht richtig ausprobiert.

900 Mülltonnen hat die BSR seit 1992 in mehreren Straßen nahe der Joachim-Tiburtius-Brücke in Steglitz mit Computerchips ausgerüstet. Beim Auskippen registriert der Bordcomputer des Müllwagens die Hausnummer und das Gewicht des Abfalls.

Dabei stellt sich laut BSR ein entscheidendes Problem: In den engen Hinterhöfen der Wohnquartiere sei zuwenig Platz, um für jede Mietpartei eine eigene Tonne aufzustellen. Müllmenge und Gebühren könnten immer nur für ein ganzes Haus berechnet werden, weshalb für die einzelnen BewohnerInnen kein stärkerer Anreiz zur Müllvermeidung entstehe. BSR- Sprecherin Thümler: „In Einfamilienhaus-Siedlungen hat das Sinn, aber nicht in verdichteten Wohnvierteln.“ Die flächendeckende Einführung des neuen Systems böte für die BürgerInnen keinen wesentlichen Vorteil gegenüber der heute schon bestehenden Möglichkeit, kleinere oder größere Tonnen zu unterschiedlichen Gebühren bei der BSR zu bestellen.

Der Abgesang auf die intelligente Tonne hat jedoch einen Haken: Die Bewertung der BSR bewegt sich auf der Ebene von Vermutungen. Beim Pilotversuch in Steglitz wird nur die Technik – Wiegeeinrichtung an den Müllwagen und Computer – getestet. Kein Haus hat bislang eine Gebührenabrechnung auf der Basis der Gewichtsmessung erhalten. Wegen des fehlenden finanziellen Anreizes läßt sich deshalb zur Zeit nicht feststellen, welchen Müllvermeidungseffekt das neue System möglicherweise hat und ob die einzelnen BewohnerInnen nicht auch angesichts gemeinsamer Tonnen ihren Abfall reduzieren.

Erfahrungen in westdeutschen Städten und Landkreisen, die Müllgebühren mittels der Computertonnen berechnen, stellen die Einschätzung der BSR denn auch in Frage. Zumindest die Menge des Restmülls, den die städtische Müllabfuhr bewältigen muß, sinkt teilweise beträchtlich. Die Leute sortieren ihren Müll stärker und entledigen sich zum Beispiel größerer Mengen an den Containern des Dualen Systems.

Für und Wider der intelligenten Tonne stehen im Rahmen des heute im ICC beginnenden Umwelttechnologieforums Utech zur Debatte. Beim „Forum Abfall“ am Dienstag könnte sich eine Lösung für das Tonnenproblem der BSR bieten. UmwelttechnikerInnen der Dasa aus Ulm haben die „Müllscheckkarte“ entwickelt, die die Erfassung der Müllmenge einzelner BewohnerInnen ermöglicht, auch wenn es im Haus nur einen großen Container gibt. Hannes Koch