■ Die Renaissance der guten Sitten. Ein Erfolgskonzept:: Manieren für die Chefetagen!
Berlin (taz) – Haben Sie gute Umgangsformen? Falls Sie sich diese Frage noch nie gestellt haben, sollten Sie schleunigst in sich gehen. Schlechte Manieren gefährden nämlich Ihre Karriere. Der Senkrechtstarter weiß: Zum Aufstieg gehört das ansprechende Äußere genauso wie der richtige Umgangston. Und klar ist auch: Der freundlich grüßende Chef kommt allemal besser an als der abwesend durch die Gänge huschende. Mit dem richtigen Kompliment zur falschen Zeit wird auch die härteste Rationalisierung im Betrieb leichter geschluckt.
Doch Takt und guter Ton auf dem gesellschaftlichen Parkett sind bei uns zwischen Wirtschaftswunder-Mief, 68er-Aufruhr und neudeutscher Gleichgültigkeit auf den Hund gekommen. „Gerade die Generation der Achtundsechziger und deren Kinder haben Höflichkeit und gesellschaftliche Umgangsformen verlernt“, weiß Irmgard Rühl. Und nun wollen sie doch noch was werden.
Irmgard Rühl ist die richtige Adresse dafür. Seit Mitte der achtziger Jahre leitet sie Seminare für moderne Umgangsformen und Persönlichkeitsentwicklung. Als erste hat sie in Deutschland die Marktlücke „Umgang“ entdeckt und inzwischen viele Nachahmer gefunden. Ob Sie sich bei Tisch die Lippen nachziehen dürfen, wo das Rotweinglas zu stehen hat, wie man den Ehrengast plaziert, welche Kleidung zu welchem Anlaß und welche Farbe zu Ihnen paßt oder wie Sie den Herren neben sich am besten ansprechen – Irmgard Rühl weiß Rat. Es sind eben die kleinen Dinge, die das soziale Klima verbessern. „Telefonieren zum Beispiel“, erzählt Irmgard Rühl ihren Kursteilnehmern, „ist stören, ohne anzuklopfen. Wie gehe ich damit um, wenn ich im Streß bin? Wie beginne ich ein Gespräch? Wie wird es positiv gestaltet?“ Eine freundliche Grußformel, breit lächelnd in die Muschel gesprochen, wirkt Wunder. Das Training des guten Tons macht uns gesellschaftsfähiger.
Der Oberbürgermeister einer hessischen Kleinstadt in Irmgard Rühls Benimmkurs weiß, warum er für ein bißchen Anstand bis nach Berlin gefahren ist: „Nicht im Sinne, daß man jetzt eine kleinbürgerliche Kultur pflegen muß, sondern es geht um die Souveränität, die Fähigkeit, mit anderen immer richtig umzugehen und unnötige Affronts zu vermeiden. Ob man da noch auf der Höhe der Zeit ist, muß man immer wieder abklären.“
Daß viele Zeitgenossen nicht sonderlich vornehm daherkommen, ist frau gewohnt. Daß einem die Tür vor der Nase zugeschlagen wird oder der Blick nach unten wandert, um den lästigen Gruß zu umgehen, ist dabei noch eine der harmlosesten Peinlichkeiten. Moderne Menschen stecken dies, ohne mit der Wimper zu zucken, weg. Doch Vorsicht, Aufstiegsorientierte! Wenn Sie Ihren Untergebenen dreimal geflissentlich übersehen und zweimal vor der Tür stehenlassen, schlägt dies in puncto Führungsstil garantiert negativ zu Buche.
Dies wohl wissend, kommen zu Irmgard Rühls Seminaren vor allem Leute in höheren Positionen. Der einsame junge Mann, dem es am richtigen Schliff fehlt, um eine Frau anzusprechen, oder die Arztgattin, die wissen will, wie ihr Geschäftsessen ein unbedingter Erfolg wird, sind eher die Seltenheit. In der Hauptsache kommen Männer. Der Einbruch einiger Frauen in bessere Positionen habe die Männer nachhaltig verunsichert, erklärt Irmgard Rühl. So mancher stehe nun vor der bangen Frage: Soll er der gleichberechtigten Konkurrentin immer noch gnädig in den Mantel helfen, oder soll er nicht? Er soll! Edith Kresta
Ton & Takt, Seminare für moderne Umgangsformen, Berlin (030) 874445
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