■ Press-Schlag
: Mutation des Geistes

Pressekonferenzen sind was Feines. Man erfährt so vieles von allgemeinem, ja überlebenswichtigem Interesse: Von Alberto Tomba wollen alle immer nur das eine. Wein, vor allem Weib, und Gesang. Türkisfarben und gutgelaunt spaziert der auch noch gut aussehende Macho („Am Rennen interessieren mich die Zuschauerinnen am meisten“) herein, nimmt einen Schluck Wasser und behauptet, „Rotwein ist immer gut“. Aber, versichert er auf Anfrage, eine Frau reiche ihm durchaus zum körperlichen Wohlbefinden. Den Medien offenbar nicht. Und so bohren sie wie unter Skatbrüdern unwissend-vielwissend schmunzelnd nach, als ob sich die Piste mit dem Erscheinen des italienischen Frauenhelden mit einem Male ins Wasserbett verwandelt hätte. Und sie selbst endlich, endlich schlüpfrig-seicht für den Playboy über Manneslust statt Sportlerfrust schreiben dürften.

Wie viele Stunden denn die beiden Kondome, die jeder Sportler von den Organisatoren mitsamt der Akkreditierung in die Hand gedrückt bekämen, bei ihm vorhielten? Die Auskunft über Potenzen sind alles andere als befriedigend. Er pflege seine Gummis von zu Hause mitzubringen, das Leben sei eben doch ein Risiko. Was Katarina Witt an ihm so gut gefalle? Überlegt. „Bestimmt die Muskeln.“ Und ihm an ihr? Lacht. „Mit ihr kann man sich sehr gut amüsieren.“ Andeutungen, frivoles Geplänkel. Daß auf dem Podium ein Slalomläufer mit außergewöhnlichen sportlichen Fähigkeiten sitzt? Uninteressant. Sein und Schein. Wer spielt hier mit wem? Spielt Albertone den Clown, oder ist die Wirklichkeit die Rolle seines Lebens? „Ich lache immer, weil man lachen muß, sonst gewinnt man nicht.“

Katarina Witt lacht meistens. Wenn sie nichts zu verlieren hat. Auch dann noch, wenn es um einen ungeliebten dreifachen Sprung geht, den Rittberger. „Och, der Herr Rittmeister? — Na ja, entweder ich mache ihn, oder ich mache ihn nicht.“ Womit sich der sportliche Gehalt des Gespräches wiederum nahezu erschöpft hatte. Ach ja, die Kerrigan-Harding-Geschichte fand die Diva aus Chemnitz unappetitlich, weil „Eiskunstlauf so einen Boulevardtouch bekommt“. Mit offenherzigem Dekolleté und verführerischem Blick liegt Katarina Witt an Norwegens Kiosken. Das Männermagazin VI präsentiert die ehemalige Carmen als „Sportlerin mit dem größten Sex-Appeal“. Wir sind boulevardmäßig im Bilde. Bla, bla, bla. Wer spielt hier mit wem?

Pressekonferenzen sind was Feines. Vor allem wenn sie gar nicht stattfinden. Wie die von Katja Seizinger. Die Abfahrts- Olympiasiegerin sollte zur Siegesfeier ins Deutsche Haus kommen. Ursprünglich steckte sie im Stau, eigentlich hatte sie keine sonderliche Lust verspürt, sich im geistreichen Sprüchekabinett zu verewigen. Verständlicherweise.

Das können andere viel besser. Vor allem wenn sie aus dieser unserer Bundesregierung entspringen. Volker Rühe, in Lillehammer um der siegreichen wehrhaften Sportkompanie (vom Hackl Schorsch zur Erdmann Susi, Behle Jochen, Kirchner Mark, Wasmeier Markus etc.) vaterländischen Beistand angedeihen zu lassen und mit seinem norwegischen Kollegen über die ach so schlimme Situation in Bosnien zu plaudern, bereicherte die Sprücheklopfer um folgende Pointe mit aufputschender Wirkung, vom Stapel gelassen vor dem Eishockey- Spiel der Deutschen gegen die Russen: „mit Minister-Power gegen die Rote Mauer“.

Am Vortag durfte der Mann, der uns im Ernstfall im unwirtlichen, da kalten Ausland verteidigen soll, Markus Wasmeier als erster fotogen und kameragrotesk die Hand schütteln. Noch vor Walther Tröger, dem Chef der Mission der deutschen Delegation. Der aber im Sog der Freude eifrig versicherte, auch in Zeiten der Not immer dem „Wasi“ beigestanden zu haben. Sieger haben viele Freunde. Und Funktionäre lieben Sieger. In deren Glanz wird man so schön braun, vor lauter Sonne, die dann auf den plötzlichen Funktionärsbeistand abfällt. Ein Rechenexempel schönster Funktionärsarithmetik: „Wo wir in Albertville zweimal null stehen hatten, haben wir nun zweimal Gold.“ Wir kombinieren: Herr Tröger muß höchstpersönlich den Russi-Sprung in der allergeducktesten Eiformhocke genommen haben.

„Ich weiß gar nicht, warum ihr Wessis glaubt, bei euch sei alles besser“, verwundert sich ein Kollege aus der Ex-DDR, „hier ist es doch genauso, nur nennen sie sich nicht Genosse.“ Pressekonferenzen sind was Feines. Man erfährt so viel übers richtige Leben. Cornelia Heim