Optischer Lackmustest

■ Ausstrahlende Einbauten: Hans-Dirk Hotzel in der Galerie Ermer

Es ist eigentümlich still in der Galerie Ermer, stiller als sonst. Drei Halogenlampen verbreiten ein gleichmäßiges, fahles Licht. Auf den ersten Blick ist der Raum leer. Der Raum ruht. Eine Landschaft: tiefe Furchen hat die Zeit in den Putz gegraben, imaginäre Flußläufe, Hügel, Täler. Man entdeckt die Unebenheiten des Bodens, die aus dem Lot geratenen Mauern, die schiefen Winkel – und dann, nach einer Weile erst, die Einbauten des 37jährigen Künstlers Hans-Dirk Hotzel. Studiert hat der gebürtige Bochumer Ende der siebziger Jahre an der Folkwangschule in Essen. Er wurde inzwischen mit mehreren Preisen und Stipendien, darunter der „Kunstpreis Junger Westen“, ausgezeichnet. Hotzel gehört zu den Künstlern, die ihre Plastiken nicht bloß an einem x-beliebigen Platz aufstellen. Für ihn wird der Raum selbst zur Plastik. Er arbeitet direkt vor Ort und nimmt dort minimale Eingriffe vor, um die Aufmerksamkeit der Betrachter auf die Dinge zu lenken, die ihnen normalerweise allzu leicht entgehen.

Da ist, ohne erkennbare Funktion, ein einfacher, bis knapp unter die Decke reichender Mauervorsprung. Zwar scheint er zwei aus der Wand ragende Stahlträger zu stützen, aber, wie gesagt, es scheint nur so. Wenige Zentimeter unterhalb der beiden Träger endet der längliche Kubus. Je länger man ihn betrachtet, desto mehr wird er zum Fremdkörper im schummrigen Zwielicht. Seine Oberflächen sind akurat geglättet, seine Kanten beinahe messerscharf. Er ist makellos, präzise, ein reinigendes Bad. Ein optischer Lackmustest, der die Unregelmäßigkeiten der eilig errichteten Remise, in der die Galerie nun schon seit einigen Jahren untergebracht ist, um so stärker hervortreten läßt. Eine Leerstelle im funktionalen Ambiente, stumm, aber ständig präsent. In dem kleinen Büro der Galeristin ist noch eine zweite Arbeit Hotzels zu sehen: eine über die ganze Raumhöhe reichende, hellgrau verputzte Fläche. Auch sie funktioniert wieder nach demselben Prinzip: die Oberfläche dieses Wandstücks ist im Unterschied zu ihrer Umgebung hundertprozentig eben. Hotzels Einbauten wirken wie in die dritte Dimension gerutschte Meditationshilfen: wer von draußen kommt und die Hektik der Stadt in sich hat, muß seine Pulsfrequenz herunterfahren, die innere Uhr zurückstellen, seine Wahrnehmung verlangsamen. Zurück bleiben der Raum selbst, seine Geschichte und ein abstraktes Bild von Polarität. Ulrich Clewing

Bis 26. Februar, Knesebeckstr. 97, Charlottenburg, geöffnet Di.–Fr. 16–19 Uhr, Sa. 13–17 Uhr