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Ziemlich gelungene Verwirrung

■ Der Schatten hinter dem Wort“ im ParKHaus Treptow

Der liebe Gott trägt Clownskostüm, kaspert herum und versucht, das Publikum zu animieren: „Soll ich mich ausziehen?“ Aus lauter Langeweile fällt ihm nichts Besseres ein, als seine Geschöpfe an der Nase herumzuführen. Eva singt dankbar „Es regnet, Gott segnet“, wenn ein Wasserstrom aus dem breiten roten Clownsmund läuft, Adam dagegen muckt hin und wieder auf: „Immer willst du spielen“, schimpft er und: „Gott ist tot!“

Die Gruppe „Studiotheater Christburger 6“, die sich nach ihrer alten Probebühne in Prenzlauer Berg genannt hat, hat sich seit dem letzten Jahr auf absurdes Theater spezialisiert. Zuletzt spielte sie „Elizaveta Bamm“ von Daniil Charms, eine Art russischer Vater Becketts. Mit der Welturaufführung von „Der Schatten hinter dem Wort“ von Wolf-Rüdiger Uth wird nun ein Absurder der Enkelgeneration auf die Bühne gebracht. Und immer noch geht es um die Sinnleere und Ausweglosigkeit der menschlichen Existenz. Das sei aber nicht das Wichtigste bei der Aufführung, erklärt der Regisseur Ben Bremer: „Wir wollen die Leute verwirren.“

Das gelingt. Unter wunderlichen Reden erlebt Eva (Silke Kullik) eine Art Sündenfall mit Siegfried (Bodo Goldbeck), der merkwürdigerweise den Vierten im Bunde macht. Adam (Gerhard v. Druska) wird eifersüchtig und spielt mit Siegfried Schach um Eva, eine Beziehungsdiskussion bahnt sich an. Gott (Milton Welsch) gibt den Zirkusdirektor und Zauberkünstler ab, peitscht seine Geschöpfe durch die Gegend und verwandelt sie mit viel Brimborium in rosa Schweinchen.

Das wirre Werk dem Dunkel der Unbekanntheit entrissen zu haben ist wohl kein großes Verdienst, aber die Aufführung steckt voller Ideen. Die Bühne im ParKHaus Treptow – einer schönen alten Villa, die früher als Kreiskulturhaus diente – ist von einer schlammigen, mit kleinen Zweigen und Flaumfedern bestreuten Plane bedeckt. Ein tristes Paradies mit einem kahlen, armseligen Baum der Erkenntnis. Adam, Eva und Siegfried sind am Anfang nackt und lehmbeschmiert. Völlig unbefangen, als Inbild kreatürlicher Unschuld, kriechen und laufen sie über die Bühne. Erst nach dem „Sündenfall“ tragen sie auf einmal Kleider, und Adam bekommt sogar ein Auto. Trotzdem wird nach der Vertreibung natürlich nichts besser. Am Ende stehen nur noch leise, gleichzeitig herausgezischte Injurien: „Du Kotzfrosch!“ Der liebe Gott verzieht dazu beifällig die geschminkten Lippen. Deus ludens – das ist der Schatten hinter dem Wort, das am Anfang war. Miriam Hoffmeyer

23.–26.2., 2.–5.3., 10.–12.3., 16.–19.3. im ParKHaus Treptow, Puschkinallee 5, Tel. 272 79 52.

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