Mit der Axt allein ist es nicht getan

In Thailand werden fast alle Obstbäume gegen gesündere Pflanzen ausgetauscht / Durch das jahrelange Versprühen von Pestiziden sind viele Krankheitserreger resistent geworden  ■ Aus Bangkok Ralf Köpke

So mancher Straßenverkaufsstand in Bangkok erinnert an einen Obstgarten: Tropische Früchte aller Formen und Farben, wie zum Beispiel die rötlichen Rambutans, Papayas, Mangos, Ananas, aber auch Erdbeeren oder Weintrauben finden sich in Hülle und Fülle. Doch bei all dieser Farbenpracht sind die kleinen bräunlichen Flecken auf fast jeder Mandarine unübersehbar. Die Ursache steht für den Agrarbiologen Heinz Burgstaller eindeutig fest: „Das sind Folgen eines überzogenen und unsachgemäßen Pestizideinsatzes.“

Auf „Teufel komm raus“, bis zu 60mal pro Saison, sei in den letzten Jahren im thailändischen Mandarinenanbau gesprüht worden, so der Pflanzenexperte Burgstaller von der deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ). Dabei werden im südostasiatischen Königreich nach wie vor „chemische Killer“ verwendet, die auf dem Index der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stehen oder zumindest als gefährlich oder hochgiftig gelten.

Mit fatalen und nicht zuletzt letalen Folgen für Mensch und Natur: Offizielle Statistiken sprechen von jährlich etwa 40 Toten in den Obstanbaugebieten des Königreiches. Hinzu kommen weitere 5.000 Bauern und deren Helfer, die wegen Vergiftungserscheinungen einen Arzt aufsuchen mußten. Die Dunkelziffer, das ist ein offenes Geheimnis, liegt noch viel höher.

Nicht nur die schleichende Boden- und Grundwasservergiftung macht den unkontrollierten Gifteinsatz im Zitrusanbau Thailands immer fragwürdiger: Viele Schädlinge wie Insekten, Bakterien oder Pilze sind mittlerweile resistent geworden. Mit spürbaren wirtschaftlichen Folgen: „Während die Kosten für die Giftmittel ständig steigen, gehen gleichzeitig die Erträge drastisch zurück, was für viele das Aus bedeutet“, beschreibt Heinz Burgstaller die Situation.

Das ließ im Bangkoker Agrarministerium die Alarmglocken schrillen. Für Tausende von Reisbauern sucht das Ministerium angesichts fallender Weltmarktpreise – Thailand gehört zu den weltweit größten Reisexporteuren – nach einer Alternative. Diese, das wurde schnell klar, liegt im Obstanbau, denn: „Die meisten Früchte werden bisher überwiegend auf dem heimischen Markt angeboten, so daß es große Exportchancen gibt“, meint der GTZ-Agrarexperte.

So entschloß sich die thailändische Regierung, mit Unterstützung der GTZ den einheimischen Obstanbau auf eine weitgehend giftfreie Basis zu stellen. Helfen soll dabei das Integrated Pest Management (IPM), hierzulande bekannt unter dem Schlagwort Integrierter Pflanzenschutz. Dazu gehören sowohl natürliche, biotechnische, wie zum Beispiel die Sterilisation von Insekten oder Duftstoff-Fallen, als auch chemische Verfahren.

Schnell zeigte sich, daß den thailändischen Zitrusfrüchten nicht allein mit der Umstellung der Schädlingsbekämpfung zu helfen ist. Denn nach Inspektionen vieler Anbauflächen kamen Heinz Burgstaller und sein Team zu dem niederschmetternden Fazit: „Fast jeder Baum war entweder bakteriell, pilzlich oder mit dem für den Zitrusfrüchteanbau typischen Tristeza-Virus infiziert, oder gleich von allen Krankheiten, so daß wir uns zu einem Totalaustausch des Pflanzenmaterials entschlossen haben.“ Burgschaller schätzt, daß sie „mit dem Austausch 70 bis 80 Prozent aller Krankheitsprobleme, mit denen die thailändischen Obstbauern heute zu kämpfen haben, in den Griff bekommen“.

Vier in Thailand sehr populäre Obstsorten sind für das Projekt ausgewählt worden – und zwar Mandarinen, Pomelos, eine den Grapefruits vergleichbare Frucht, Mangos und die bei uns unbekannten Durians. Bei dem von der GTZ betreuten „Austauschprogramm“ bleibt die Axt im Werkzeugschrank, denn mit der Rodung der alten Obstbäume ist es nicht getan. Der Austausch erfolgt vielmehr mit der Aufzucht von gesunden und krankheitsresistenten Bäumen – Bäume, die dem Schädlings- und Krankheitsdruck standhalten. Dabei kommt es vor allem darauf an, eine geeignete „Unterlage zu verwenden“. „Eine Unterlage“, erklärt Experte Burgstaller, „ist eine Obstsorte, die noch alle natürlichen Widerstandskräfte besitzt, mit der sich in der Regel kaum hohe Erträge erzielen lassen.“ Technisch sei es allerdings kein Problem, dieses Manko auszugleichen, indem man diese Unterlagen mit ertragsreicheren und lokalen Sorten veredelt – im Obstanbau eine gängige Methode.

Bei der Suche nach einer gesunden Unterlage für die Madarinenbäume experimentierte das Burgstaller-Team mit Pflanzen aus Australien, Spanien, Kalifornien, den Philippinen und Korsika. Dieser Prozeß ist mittlerweile abgeschlossen. In einem zweiten Schritt sollen nun krankheitsfreie Setzlinge in sogenannten Quarantänehäusern aufgezogen und auf diese Unterlagen gepfropft werden. Staatliche und auch private Baumschulen sollen dann die Verbreitung dieser neuen, gesunden Mandarinenbaum-Generation übernehmen. „Wir brauchen schon jährlich so an die ein bis zwei Millionen Setzlinge, um den Austausch in zehn bis zwölf Jahren bewältigen zu können“, schätzt Burgstaller.

Parallel zu diesem Austauschprogramm bereitet Burgstaller mit den Schädlingsexperten der Eastern Region Plant Protection Subdivision in Pattaya eine biologische Schädlingsbekämpfung für die vier ausgewählten Obstsorten vor. So wird zum Beispiel an der Aufzucht einer Raubmilbe, Amblydeius spec., geforscht, die der natürliche Gegenspieler der Roten Milbe ist, einer der Hauptschädlinge vieler Obstplantagen. „Unser Ziel ist es, das ökologische Gleichgewicht in unseren Obstgärten wiederherzustellen, das wir jahrzehntelang durch den Einsatz von Pestiziden zerstört hatten“, hofft Cherdpong Chompoorat, Leiter der Subdivision. Er räumt ein, daß die Beratung der Obstbauern in den zurückliegenden Jahren „total falsch“ gewesen sei. Cherdpong wörtlich: „Wir büßen heute für die Sünden der Vergangenheit.“ Deshalb führe kein Weg an dem Austauschprogramm vorbei.