Eine läppische Million

■ Im co op-Prozeß wird heute das Urteil gegen Aufseher Alfons Lappas erwartet

Berlin (taz) – Angeklagt war er wegen Betrugs von Aktionären und Bilanzfälschung, verurteilt wird er nun wegen der Veruntreuung von einer Million Mark. Alfons Lappas, einst Aufsichtsratsvorsitzender der co op, hat sich am geschicktesten von den vier Hauptangeklagten im größten deutschen Wirtschaftsstrafprozeß der Nachkriegszeit herausverhandelt. Voraussichtlich heute kann er, mit einer Bewährungsfreiheitsstrafe (die Staatsanwaltschaft fordert ein Jahr und neun Monate, die Verteidigung plädiert auf ein Jahr) nach Hause gehen.

Staatsanwalt Heinz-Ernst Klune hatte sich letzte Woche von den Lappas-Verteidigern die Hauptanklagepunkte abhandeln lassen. Dafür bekam er ein Geständnis über jene veruntreute Million, welche die Zweite Strafkammer des Frankfurter Landgerichts als Nachtragsklage zugelassen hatte: 1985 und 1986 war die Summe mit vier Schecks auf Lappas' Privatkonto mit dem Decknamen Seterios in der Schweiz eingezahlt worden. In der co op-Buchhaltung wurde die Auszahlung mit Scheinrechnungen gedeckt.

Nach 101 Verhandlungstagen im co op-Prozeß und der Verurteilung der einstigen co op-Vorstände Bernd Otto (viereinhalb Jahre), Dieter Hoffmann (vier Jahre, drei Monate) und Michael Werner (zwei Jahre, acht Monate) hatten Ankläger und Verteidiger vor allem ein gemeinsames Interesse: den Prozeß abzuschließen.

Die Frage, was Lappas als Aufsichtsratsvorsitzender der co op und als Vorstand der co op-Großaktionärin, der Gewerkschaftsholding BGAG, über die kriminellen Machenschaften in der co op-Vorstandsetage gewußt hat, interessiert offenbar nicht mehr, seit die Frage des Schadensersatzes geklärt ist: Dafür, daß der co op permanent Geld entzogen wurde, zahlte die BGAG 25 Millionen Mark an die co op-Nachfolgegesellschaft Deutsche SB Kauf AG.

Als im Juni das Urteil gegen Otto, ebenfalls wegen des privaten Griffs in die co op-Geschäftskasse, zu Ende ging, hatten die Lappas- Verteidiger noch „förmlich Widerspruch“ eingelegt: Es gehe doch um einen Schaden von 2,6 Milliarden Mark, den man doch nicht einfach vergessen könne.

Für die Machenschaften an der co op-Spitze fühlt sich der ehemalige Oberaufseher Lappas nach wie vor nicht verantwortlich. Nach Recherchen des Spiegel begann der co op-Krimi im Jahr 1984, als Otto, Lappas und Hoffmann einen „Arbeitskreis zur Umgestaltung der Gesellschafterverhältnisse bei co op“ gründeten – für das Bundeskriminalamt eine „kriminelle Vereinigung“. Ziel der Kungelrunde war es, nach dem Neue-Heimat-Skandal von den Banken frisches Geld für die in finanziellen Schwierigkeiten steckenden Gewerkschaftskonzerne pumpen zu können. Um kreditwürdig zu werden, mußte die co op Gewinne „machen“ (Bilanzfälschung) und Dividenden zahlen (Dividendenschädigung). So wurde schließlich nach diversen Aktienschiebereien zwischen den Gewerkschaftskonzernen der Schweizer Bankenverein überzeugt, die co op-Aktien an die Börse zu bringen (Prospektbetrug).

Als der Krimi aufflog und das Imperium zusammenbrach, mußten die Gläubigerbanken die erwähnten 2,6 Mrd. Mark abschreiben. 150.000 Kleinaktionäre hatten ihr in co op-Aktien angelegtes Ersparte verloren, und die Einzelhandelskette schrumpfte von einem Konzern mit 48.700 Beschäftigten, zwölf Milliarden Mark Jahresumsatz und 2.200 Filialen auf eine Restfirma mit 18.500 Beschäftigten in 840 Filialen.

Der co op-Prozeß ist mit dem Lappas-Urteil fast vorbei. Die nebenangeklagten co op-Direktoren Norbert Lösch und Klaus-Peter Schröder-Reinke verhandeln bereits mit dem Staatsanwalt über ihr Strafmaß. Nur ganz unentwegte Prozeßbeobachter hoffen jetzt noch auf lückenlose juristische Aufarbeitung des Wirtschaftskrimis: im Prozeß gegen den ehemaligen Finanzvorstand Werner Casper, der erst vor wenigen Monaten aus Kanada zurückkehrte und sich der Strafverfolgung stellte. Donata Riedel