Ein ziemlich gezähmter Malerfürst

■ Die Arbeiten in Holz vom Kunststar Georg Baselitz in der Hamburger Kunsthalle

Als Maler erlangte er durch seine Bilder, die auf dem Kopf stehen, auch über die Kunstszene hinaus, Berühmtheit. Was die Motive von der Abbildung emanzipierte und die neo-expressive Malerei befreite, wurde zum gut vermarktbaren Markenzeichen Georg Baselitz.

Im deutschen Pavillon der Biennale di Venezia 1980 überraschte er mit seinem ersten großen Holzbildwerk: „Modell für eine Skulptur“ war eine teilbemalte, männliche Figur, die ab der Hüfte aus dem nur mit Vorzeichnung bearbeiteten Holzblock herauswuchs, sich in labiler Sitzhaltung nach hinten legte und mit dem schräg nach oben gereckten Arm einen unterschiedlich zu deutenden Intentionalgestus in die Luft schrieb. Diese Skulptur stand am Beginn einer bis heute fortgesetzten Reihe von Holzfiguren, blieb aber bis dato von unerreichter Qualität. Denn in welche Gestalt auch immer der 56-jährige Baselitz in sichtlichen Kraftakten mit Axt und Kettensäge später die oft mehr als mannshohen Holzblöcke umwandelte, es erschöpft sich in großen, aber leeren Gesten.

Die Kunsthalle zeigt nun in ihrer Kuppel und in drei angrenzenden Räumen einen Überblick über das plastische Werk in über zwanzig Exemplaren. Auch die gut inszenierte Präsentation kann nicht verbergen, daß eine einzelne rohe Skulptur des bekannten Malers zwar in anregender Weise jedes Museum zu schmücken vermag, eine ganze Versammlung davon aber keine Steigerung zu sein vermag. Formal interessant ist das plastische Spiel mit Würfel und Kugel, Raster und Gesicht beim G-Kopf von 1987 aus dem Ludwig- Museum in Budapest. Auch die mono-chrom schwelfelgelb bemalten Köpfe der Gruppe „Dresdner Frauen“, bei denen die tief eingekerbten Schnitte sich zu einem Negativrelief fügen, das auf Distanz zu einer fast graphischen Wirkung kommt, vermögen zu beeindrucken und belegen den persönlichen Weg zur Holzbildhauerei aus dem Holzschnitt. Doch bei einer Reihe anderer Arbeiten verfällt Baselitz wiederum einem simplen Kunstgriff: Die farbliche Fassung von Augen, Nase, Mund ist gegenüber der plastischen Form versetzt und macht die Figuren zweigesichtig. Die Präsentation solcher Differenz von Farbe und Form, Bild und Objekt ist ein reiner Manierismus aus der Kiste „Kubismus für Anfänger“ und genauso beliebig wie die aus ziemlich weiter Ferne geholte Katalog-Argumentation, in der Günther Gercken einen Vergleich mit den germanischen Götterfiguren aus dem Braaker Moor in Osthol-stein zieht.

Die große Akzeptanz des international geschätzten deutschen Malerfürsten macht ihn auch mit seinen Plastiken in fast allen wichtigen Museen präsent. Das mag auch daran liegen, daß - trotz seiner besonderen Abgrenzungsattitüden als starker, deutscher Mann - die Arbeiten eine gefällig gezähmte Urigkeit verströmen, die schon auf den zweiten Blick nicht mehr stört. Anders als in seiner Malerei reicht die Kraft des Kunststars nicht, die Grenzen des Figürlichen in seinen Holzarbeiten zu sprengen, die Form bleibt gegenüber der Machart dem Konventionellen verhaftet, antitraditionell und doch so gut zuzuordnen: expressiv, brutal, suggestiv, archaisch. Uwe M. Schneede spricht von „versehrten Idolen“ und es gibt einen deutlichen Bezug zur nichtklassischen, außereuropäischen Tradition: Der Star selbst sammelt schwarzafrikanische Fetische und die haben allemal mehr Leben als die aggressiv-protzigen Materialschlachten des modernen Hofkünstlers von Schloß Derneburg in Niedersachsen. Hajo Schiff

Hamburger Kunsthalle, bis 17.April. Katalog: 28 Mark