Marktwirtschaft in Drogenprojekten

■ Sozialämter finanzieren psychosoziale Betreuung von Substituierten / Programm auf 1.300 Abhängige erweitert

Die Sozialämter der einzelnen Bezirke werden künftig die Kosten für die psychosoziale Betreuung von Methadonsubstituierten übernehmen. Das teilten gestern Sozialsenatorin Ingrid Stahmer und Jugendsenator Thomas Krüger (beide SPD) auf einer Pressekonferenz mit. Sie sprachen von einem „bahnbrechenden“ Projekt, das in der Bundesrepublik bislang einmalig sei. Auf diesem Wege könnten in Berlin zukünftig mehr als 1.300 Drogenabhängige substituiert werden. Gegenwärtig bekommen 787 Menschen Methadon auf Krankenschein. Die ungetrübte Freude über das neue Finanzierungsmodell teilen manche Drogenberatungsstellen jedoch nicht.

Methadon auf Krankenschein bekommen Junkies nur, wenn sie die Zustimmung der bei der Ärztekammer angesiedelten Ethikkommission eingeholt haben. Außerdem müssen sie nachweisen, daß sie von einer Drogenberatungsstelle oder einem Aids-Hilfe-Projekt psychosozial betreut werden. Bislang machten die Projekte diese Betreuungsarbeit neben ihrer normalen Tätigkeit. Die Jugendverwaltung stellte dafür lediglich eine Summe von 480.000 Mark für insgesamt sechs Stellen bereit. Dieses Geld will Krüger nun einsparen. Vor zehn Tagen gab Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) sein Plazet, daß die Sozialämter in Zukunft die Kosten für die psychosoziale Betreuung übernehmen sollen. Die Landesdrogenbeauftragte Elfriede Koller sprach von 10 Millionen Mark, wenn 600 Abhängige zwei Jahre lang insgesamt jeweils 180 Stunden betreut würden. Dieses Geld, so Stahmer, soll von den Sozialämtern jedoch nur als eine Art „Vorleistung“ vorgeschossen werden. Später sollen sich die Ämter ihre Ausgaben von den „eigentlich zuständigen Kranken- und Rententrägern“ zurückholen. Wenn diese nicht freiwillig zahlten, was absehbar sei, würden die Ämter die Krankenkassen und Rententräger verklagen und notfalls bis vors Bundessozialgericht (BSG) ziehen.

Die Drogenberatungsstellen reagierten gestern gemischt auf die Nachricht. Sie begrüßten, daß der Senat „nach zwei Jahren Stagnation“ endlich eine neue Form der Finanzierung aufgetan habe. Das neue Modell bedeute jedoch, daß die für eine akzeptierende Drogenarbeit eintretenden fortschrittlichen Drogenprojekte in Zukunft keine Chancen mehr hätten, Substituierte psychosozial zu betreuen. Statt dessen würden nur noch die sogenannten klassischen Drogenberatungsstellen diese Arbeit machen dürfen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen seien diese Beratungsstellen Anhänger der konservativen Senatspolitik mit dem Ziel, daß Junkies clean werden müssen. Aber auch inhaltlich wird das Finanzierungsmodell kritisiert. „Das bedeutet, daß die Beratungsstellen marktwirtschaftlich arbeiten müssen und ein erheblicher bürokratischer Aufwand auf sie zukommt.“ Plutonia Plarre