■ Bewährungsstrafe für coop-Aufseher Alfons Lappas
: Faule Staatsanwälte

Kriminelle Spitzenmanager müssen mehr Angst vor der vierten als vor der dritten Gewalt haben. Die Reporter des Spiegel haben den coop-Krimi aufgeklärt. Staatsanwaltschaft und Gericht versagten jedoch komplett, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Die Hauptangeklagten Alfons Lappas, Bernd Otto, Dieter Hoffmann und Michael Werner wurden wegen der Veruntreuung unterschiedlich großer Millionenbeträge verurteilt – jedoch nicht, weil sie systematisch ihre hochdotierten Jobs dazu nutzten, den Einzelhandelskonzern coop von oben her auszunehmen. In den Hauptanklagepunkten Bilanzfälschung, Dividenden- und Prospektbetrug, Delikte, auf die bis zu zehn Jahre Knast stehen, stellten die Staatsanwälte den vollmundig als „größtes Wirtschaftsstrafverfahren der deutschen Nachkriegsgeschichte“ angekündigten Prozeß nach anderthalb Jahren kleinlaut ein. Aus purer Faulheit: Sie selbst begründeten ihren Ablaßhandel mit den Verteidigern damit, daß eine lückenlose Aufklärung der Machenschaften an der coop-Spitze langwierig und mühsam geworden wäre.

In über 100 Prozeßtagen lernten die Staatsanwälte den Gerechtigkeitsbegriff der auf Effizienz bedachten Wirtschaftswelt: Weil sich die coop-Nachfolgegesellschaft mit der Gewerkschaftsholding BGAG auf Schadensersatz geeinigt hat, interessiert es ja niemanden mehr, was die Herren Chefs und Aufsichtsräte verbrochen haben. Ihre kriminellen Machenschaften kosteten 30.000 Arbeitsplätze, das in coop-Aktien angelegte Vermögen von 150.000 Kleinaktionären sowie 2,6 Milliarden Mark an geplatzten Bankkrediten. Na und? Das Volk, in dessen Namen geurteilt wurde, soll zufrieden sein, denn sein Weltbild wird bestätigt: Die Großen läßt man laufen; und es passiert nichts, wenn man nicht gerade silberne Löffel (oder eine Million bis 20 Millionen aus der Firmenkasse) klaut.

Ausgesprochen beruhigend ist der Ausgang des coop-Prozesses für jene kleine bundesdeutsche Wirtschaftselite, die in den Vorstandsetagen und auf den Aufsichtsratsbänken die großen Banken und Konzerne lenkt. Seit CDU und SPD gleichermaßen härtere Gesetze gegen Wirtschaftskriminalität und Geldwäsche fordern, Manager unter großem Beifall des Publikums als „Nieten in Nadelstreifen“ beschimpft werden, fürchteten sie schon um die Freiheiten der Bilanzgestaltung und Gewinnverwertung. Nun wissen sie: Staatsanwälte trauen sich nicht an Bilanzen und ihre Fälschungen heran. Gerichte setzen keine Mindeststandards für die Kontrolle des Managements durch Aufsichtsräte. Der Manager bleibt allein seinem Gewissen verantwortlich. Donata Riedel