Müllgebühren im Doppelpack

■ 30 Prozent teurer / Neues Gebührensystem belohnt Müllvermeidung nicht / Gut 100 Mark pro Haushalt mehr / Schönberg ist schuld Von Marco Carini

Gereizt und sichtlich entnervt präsentierte sich Umweltsenator Fritz Vahrenholt gestern mal wieder als Überbringer einer Hiobsbotschaft. Vor der Wahl hauptberuflich als Einweiher schöner Umweltprojekte tätig, durfte er nun binnen weniger Tage die WilhelmsburgerInnen mit einer neuen Müllverbrennungsanlage und alle HamburgerInnen mit einer saftigen Erhöhung der Müllgebühren erfreuen. Und die fällt noch kräftiger aus, als gezielte Indiskretionen bereits vor einem Monat ans Licht der Öffentlichkeit förderten: Durchschnittlich 29,6 Prozent muß der Müllgebührenzahler ab Juli mehr berappen. Auf jeden Haushalt kommt danach eine jährliche Mehrbelastung zwischen 84 und 132 Mark zu.

Zu der drastischen Gebührenerhöhung führen vor allem drei Faktoren: Die Preise für die Entsorgung des Hamburger Abfalls in Schönberg kletterten pro Tonne von 60 Mark (1991) über 145 Mark (1992) auf 192,15 Mark im vergangenen Jahr. Das Duale System der gelben Säcke hat dabei zu keiner nennenswerten Verringerung des Hausmüllaufkommens geführt. Und da wegen der Bürgerschaftswahlen die Gebühren im vergangenen Jahr nicht mehr erhöht werden konnten (sollten?), schlitterte die Stadtreinigung in ein Rekord-Defizit. Dieses soll jetzt per Doppelpack-Erhöhung ausgeglichen werden.

Dabei setzt die Umweltbehörde auf eine neue Gebührenstruktur: Jeder Haushalt soll ab Juli ein „Entsorgungs-Grundgebühr“ von 96 Mark jährlich zahlen, unabhängig von dem tatsächlichen Müllaufkommen. Im Klartext: Die Gebührendifferenz zwischen kleineren und größeren Mülltonnen nimmt ab, für einen Umstieg gibt es noch weniger finanzielle Anreize. In der neuen Grundgebühr inbegriffen sind kleinere Serviceleistungen der Stadtreinigung wie die kostenlose Entsorgung von Kühlschränken und kleineren Mengen von Gartenabfällen. Zusätzlich zur Grundgebühr sollen die von der Größe der Müllbehälter abhängigen Gebühren um durchschnittlich 5,1 Prozent klettern.

Die abfallpolitische Sprecherin der GAL, Antje Möller, kritisierte die Einführung der vom Müllaufkommen unabhängigen Grundgebühr als „Schritt in die falsche Richtung“. Sie stehe „einer Politik, die Abfallvermeidung fördert“, im Weg. Möller: „Diejenigen, die viel Müll produzieren, müssen deutlich mehr dafür zahlen, als diejenigen, die Abfallvermeidung ernst nehmen“.

Die GAL-Abgeordnete forderte den Senat auf, neue Verhandlungen mit den Schönberg-Betreibern mit dem Ziel einer Senkung der Entsorgungskosten zu führen. Außerdem müsse die Bürgerschaft „endlich grundsätzlich mit der Abfallpolitik und der künftigen Gebührenstruktur befaßt“ und die kostensparende Einführung einer 14-tägigen Tonnenleerung geprüft werden.