Eintrittsgeld für ImmigrantInnen Von Andrea Böhm

Jede/r kennt sie – wenn nicht persönlich, dann aus Büchern oder aus dem Fernsehen: die Dame mit der Fackel in der ausgestreckten Hand und dem etwas leblosen Blick, bekannt unter dem Namen „Statue of Liberty“. „Gebt mir Eure Erschöpften, Eure Armen, Eure gedrängten Massen, die sich danach sehnen, frei zu atmen“ – diesen Willkommensgruß hat man ihr in den Sockel eingraviert. Übermäßig herzlich wurden die Armen und Gedrängten jedoch selten empfangen. Aber die erhabenen Worte manifestieren ein Selbstverständnis, das anderen Ländern, allen voran dem anorganisch zusammengewachsenen Deutschland, so fremd ist wie Kiwibier.

Nun gibt es auch in den USA Phasen, in denen ImmigrantInnen und Flüchtlinge zu Sündenböcken für allerlei Probleme gemacht werden, weshalb es sich manchmal empfehlen würde, am Fuße der Freiheitsstatue das Kleingedruckte nachzutragen. Das müßte nach aktueller Lage etwa folgendermaßen lauten: „Gebt mir Eure Erschöpften, Eure Armen, Eure gedrängten Massen. Wer Asyl haben will, bitte zuerst zur Kasse und 130 Dollar Begrüßungs- und Bearbeitungsgebühr entrichten. Have a nice day.“

Das ist kein Scherz, sondern der jüngste Plan der US-Einwanderungs- und Asylbehörde, des „Immigration and Naturalization Service“ (INS). Dort schlägt man sich mit ähnlichen Sorgen herum wie das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vor Abschaffung des Grundrechts auf politisches Asyl. Man glaubt, zu viele Asylsuchende im Land zu haben, weil sich mittlerweile über 360.000 unbearbeitete Akten stapeln. Wieviel Asylsuchende zuviel sind, ist eine Frage des Standpunkts. 150.000 Asylanträge pro Jahr sind natürlich sehr viel, wenn man nur 150 SachbearbeiterInnen zu deren Bearbeitung hat.

Weil im Haushalt bekanntlich kein Geld, sondern ein Loch ist, hat man sich beim INS diesen innovativen Weg zur Finanzierung weiterer Stellen ausgedacht: 130 Dollar pro Flüchtling – das bringt im Jahr 19,5 Millionen Dollar ein. Damit lassen sich ein paar hundert zusätzliche Stellen finanzieren. Mit den Prinzipien des Flüchtlingsschutzes ist das kaum zu vereinbaren, aber einen Platz im Guinness- Buch der Rekorde verdient es allemal. Die USA wären das erste Land in der neuzeitlichen Welt, das politisch Verfolgten eine Schutzgebühr abverlangt.

Nun soll das Eintrittsgeld laut Behörde auch den Mißbrauch des Asylrechts verhindern. Der vielzitierte „Wirtschaftsflüchtling“, so die Logik, wird durch die Gebühr abgeschreckt; der wahrhaft politisch Verfolgte wird sie artig bezahlen. Spätestens hier stellt sich Verwirrung darüber ein, was der INS eigentlich will: abschrecken oder Geld einnehmen? Wenn es der Behörde wirklich um Stellen geht, dann sollte sie jede/n Asylsuchende/n mit Handkuß begrüßen. Und wenn die das Geld nicht gleich auf den Tisch legen können, empfiehlt sich ein Verfahren aus Kalifornien: Dort haben KünstlerInnen mit viel Sinn für politische Ästhetik im Rahmen des Projekts „La Frontera/Die Grenze“ illegalen ImmigrantInnen nagelneue Zehn-Dollar-Noten ausgeteilt. Das Problem? Die zuständige staatliche Behörde, die „National Endowment for the Arts“ hat sich geweigert, US-Banknoten als Kunstgegenstand anzuerkennen und die Materialkosten zu erstatten.