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: Fest komprimiert

„Berlinale-Bilanz“, Montag, 22.15 Uhr, 3sat

„Ein Festival wie dieses schafft eine andere Kinorealität“, schlaumeiert Berichterstatter Michael Strauven, und der Satz ist ihm so klug geraten, daß er ihn vom Blatte rezitieren muß.

Eine Bilanz wie diese schafft eine andere Festivalrealität, hält der Kritiker dagegen. Bildschön die Impressionen vom pompös erstrahlenden Zoo-Palast, idyllisch die ins Haus der Kulturen einfallende Wintersonne, pittoresk das lebhafte Gewimmel im Foyer. Von der Bildröhre komprimiert und durch die Mattscheibe gefiltert, erscheint der Berlinale-Betrieb wie ein gemütliches Beisammensein feinsinniger Schöngeister mit prominenten Gästen.

„...wer hätte“, fragt Strauven treuherzig, „wirklich dieses Filmfest grundsätzlich kritisieren wollen – jetzt, wo alles Kulturelle vom Sparzwang bedroht ist?“ All die zum Beispiel, die in den überhitzten Kinosälen den scheint's gleichfalls eingesparten Sauerstoff schmerzlich vermißt haben. Oder jene, die nach anderthalbstündigen Busreisen quer durch die winterlich zugefrorene Stadt schließlich im Delphi-Foyer geschlagene fünfzig Minuten des fahrlässig hinausgezögerten Filmanfangs harrten.

Vielleicht bleiben wir im nächsten Jahr alle daheim und verfolgen das Festivalgeschehen am Bildschirm. Es muß ja nicht immer so uninspiriert in Szene gesetzt werden wie hier. Von wegen „anders fernsehen“ – die ZDF-Kollegen von der „Aspekte“-Redaktion, sonst auch nicht gerade die Speerspitze innovativer Filmberichterstattung, hatten sich da doch ein wenig mehr einfallen lassen, Interviewpartner fotogen in Szene zu setzen und Off-Texte mit adäquaten Bildern zu begleiten.

Überhaupt gehören Fernsehteams – gleich drei davon überfielen beispielsweise die Leningrad Cowboys – zu den widerwärtigsten Berlinale-Erscheinungen. Man verläßt imaginationstrunken das Kino, versucht sich allmählich ans Tageslicht zu gewöhnen, und schon kommt so ein einfallsloser Videograph daher und sticht einem mit seinem Handscheinwerfer die Augen aus, während irgendein naseweises Gör das Mikro reckt und dumme Fragen stellt. In solchen Sekunden hegt man größte Sympathien für die Herren Kinski und De Niro, die in ihren besten Tagen Vertreter dieses pestilenzartig penetranten Völkchens zu verprügeln pflegten. Manche haben's wirklich nicht besser verdient. Harald Keller